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Chapter 36

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Die Meisterin der Verführung

Margot und Lisa lagen ineinander verschlungen auf dem Boden. Ein Beobachter, der beide sehen könnte, hätte nicht mehr feststellen können, wo die eine begann und die andere aufhörte. Das schwache Leuchten der nackten Glühbirne über ihnen verwandelte den in der Luft schwebenden Staub in silberne Sternchen.

Ein Träger von Lisas Oberteil war von einer Schulter gerutscht und enthüllte gerade so den Rand ihres Busens. Ihre Schenkel spreizten sich weit, um der forschenden Hand freien Lauf zu lassen. Die Fingerspitzen glitten unter den Bund ihres Höschens.

Margot keuchte.

Lisa ließ das Buch aus der anderen Hand zu Boden gleiten, die Seiten flatterten dabei leicht, als würden sie sich träge von selbst umblättern. Margot erinnerte sich an diese Geschichte. Sie hatte das Buch als junge Frau selbst gelesen und selbst wenn sie nicht so eng mit Lisa verbunden gewesen wäre und alles teilte, konnte sie sich sehr gut vorstellen, welche Gefühle es in der anderen auslösen musste.

Margot fürchtete, sich in dem Malstrom der Emotionen zu verlieren. Um sich davon zu lösen, schwebte sie ein bisschen höher. Sie verharrte knapp über dem Mädchen, körperlos und unsichtbar, aber dennoch an sie gefesselt wie mit stählernen Ketten. Ihre eigene Brust hob und senkte sich synchron, während Lisas Atem tiefer wurde. Ihre Pupillen weiteten sich. Da war ein Flackern in den Augen. Aber auch noch mehr. Die Röte, die Lisas Wangen leuchten ließ, die Art, wie sich ihre Lippen sanft teilten, die Anspannung in ihren Gliedern, als ob ihre eigenen Gefühle sie überrumpelt hätten.

Ohne es zu wollen ließ sich der Geist erneut auf Lisas warmem Körper nieder, angezogen von einer Kraft, die sie nicht verstehen konnte. Sie hatte sich schon immer, schon zu Lebzeiten für die Kunst der Verführung begeistert. Sie konnte ein Netz aus Verlangen stricken, in dem sich ihr Gegenüber unrettbar verfing. Wie mit einem seidenen Faden konnte sie jeden um ihre Finger wickeln und puppengleich tanzen lassen. Aber das hier war anders. Nicht sie übte die Kontrolle aus – es war Lisas Verstand, ihre starken Emotionen, die bestimmten, was geschah. Und Margot wurde von ihnen angesteckt und immer tiefer in eine Verbindung hineingezogen, die sie nie für möglich gehalten hätte.

Ein seltsames Gefühl umgab ihre geisterhafte Gestalt, etwas, das Hitze ähnelte, aber schwerelos und unwirklich war. Es war nicht ihr eigener Wille, nicht ihr eigenes Verlangen, das ihr Handeln bestimmte – Lisas Emotionen spiegelten sich grell in ihr wider und überfluteten sie wie ein Fieber, dem sie weder widerstehen noch es verstehen konnte.

Margots Existenz war bisher immer eine des Nehmens gewesen – Körper übernehmen, Kontrolle übernehmen, die Lebenden ihrem Willen unterwerfen. Aber Lisa war nichts, was man nehmen konnte. Sie war etwas, auf das man reagieren musste.

Die Luft füllte sich mit unsichtbarer Elektrizität. Die feinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf. Und Margot – Margot wusste zum ersten Mal in ihrem endlosen Leben nach dem Tode nicht, wer hier wen verführte.

Sie war verbunden mit Lisas Bewusstsein und hatte erwartet, mit den Gefühlen des Mädchens spielen zu können. Sie war sicher gewesen, die stärkere zu sein und ihr Opfer tiefer in das Netz zu ziehen, das sie schon so oft gesponnen hatte. Aber jetzt war Lisa diejenige, die die Fäden zog. Und schlimmer noch – Margot war darin gefangen, verheddert, verstrickt, unfähig, sich zurückzuziehen. Etwas war furchtbar schiefgelaufen. Oder unheimlich gutgegangen. Sie konnte es nicht mehr sagen.

Die Feedbackschleife der Emotionen überschwemmte ihre körperlose Gestalt wie eine Flutwelle und traf sie mit einer Wucht, die sie weder im Leben noch im **** gekannt hatte.

Es war berauschend. Es war erschreckend. Es war überwältigend.

Lisa, die nichts von dem Tumult mitbekam, der in ihrem geisterhaften Beobachter tobte, lag ausgestreckt auf dem Boden und ließ ihre zarte Hand ihre empfindlichste Stelle streicheln. Ein schwaches Lächeln kräuselte sich um ihren Mundwinkel, ihr Atem wurde flacher, ihre Finger drangen neugierig in ihre nasse, überquellende Spalte ein. Das Buch – „Samtene Ketten“ – hatte eine aufregende Romanze versprochen, aber es hatte etwas weitaus Verruchteres geliefert: einen Schlüssel, der ihr die Pforte zu ihren eigenen geheimen Sehnsüchte öffnete.

Und Margot? Sie fiel hindurch.

Geister durften - konnten sich nicht so fühlen. Nicht ohne Körper. Nicht ohne Puls. Aber ihr Herz raste. Lisas Gefühle umhüllten sie wie Seide und Stahl, sowohl sanft als auch unwiderstehlich. Jede Empfindung, die durch den Geist des Mädchens strömte, durchfuhr Margot um ein Vielfaches verstärkt. Ein Schaudern. Ein Seufzen. Ein Aufwallen von Hitze. Ein Flattern im Magen. Margot meinte, es längst vergessen zu haben – nein, von dem sie geglaubt hatte, dass sie es nie wieder erleben könnte.

Sie spürte, wie etwas Großes auf sie zukam. Nein! Nicht so! Sie wollte die Kontrolle besitzen, wollte zusehen, wie ihr Opfer die Kontrolle über sich, ihre Gefühle und ihren Körper verlor. Nichts war so, wie Margot es erwartet hatte – sie hatte Spielzeug zum Necken und Manipulieren gesucht – und gefunden hatte sie eine Naturgewalt, unerschütterlich, ungezähmt und vielleicht unaufhaltsam.

In Panik versuchte sie zu entkommen, mehr Abstand zu gewinnen, um die Verbindung zu lösen. Aber im selben Maß, in dem sie zurückwich, zog es sie noch tiefer hinein. Es war ein grausamer Streich des Universums auf ihre Kosten. Hatte sie nicht ihr ganzes Leben damit verbracht, andere zu verführen? Sie in ihre verletzlichste Lage zu bringen? Aber hier war sie nun, gefangen in einer köstlichen Qual, die sie selbst verursacht hatte.

Sie hatte immer geglaubt, die Meisterin der Verführung zu sein. Jetzt war sie diejenige, die verführt wurde.

Lisa bewegte sich, ihre Finger wirbelten immer schneller, ihr Körper streckte sich, spannte sich an und hob sich vom Boden ab.

Margot ballte ihre körperlosen Finger in einem sinnlosen Akt des Widerstands. Und sie verlor.

Sie schrie, ein tonloser Schrei, der schwach in der Welt der Lebenden widerhallte. Ihr ganzer Körper verkrampfte sich, sie bäumte sich auf. Sie riss die Augen weit auf, konnte aber nichts mehr sehen, als blendendes Licht ihre Pupillen durchbohrte.

Dann sackte sie zusammen.

Wie hatte Lisa das gemacht? Wie hatte sie – ohne es zu wissen, ohne es zu versuchen – Margot zu einem vor Schwäche bebenden Gespenst gemacht, das seiner gewohnten Macht beraubt war?

Lisa schaute in ihre Richtung, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Ich dachte, Geister sollten Menschen heimsuchen“, murmelte sie geistesabwesend, ein neckisches Grinsen umspielte ihre Lippen. „Nicht umgekehrt.“

Margot gefror. Wusste sie es? Konnte sie sie spüren? Oder war dies nur ein böser Zufall?

Lisa seufzte zufrieden und drehte sich entspannte auf die Seite.

Margot schnappte nach Luft, obwohl sie keine Lungen hatte, und floh.

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