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Chapter 22

What's next?

Flüstern in der Nacht

Helen zögerte vor Silvias Tür, ihre Hand schwebte knapp über der Türklinke. Sie kam sich lächerlich vor, weil sie nervös war – es ging hier schließlich um ihre Tochter. Aber nach den beunruhigenden Ereignissen der letzten Nacht und der seltsamen Spannung, die das Haus zu durchdringen schien, war sie sich nicht sicher, was in dem Zimmer auf sie warten würde. Schließlich klopfte sie vorsichtig an.

„Silvia?“, rief sie leise. „Ich bin's.“

„Komm rein“, hörte sie gedämpft die Antwort von Silvia.

Helen trat ein und fand Silvia zusammengerollt am Rand ihres Bettes liegen, eingewickelt in eine weiche Decke. Ihr Gesicht war blass, ihr für gewöhnlich scharfsinniges, selbstbewusstes Auftreten war durch etwas Demütigeres ersetzt worden – sie wirkte unheimlich ****. Helens mütterliche Instinkte erwachten. Sie schloss leise die Tür hinter sich und trat näher.

„Alles in Ordnung, Schatz?“, fragte sie, setzte sich auf die Bettkante und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht.

Silvia nickte, aber ihre Augen verrieten die Wahrheit. „Ja, nur ... dieses Haus, verstehst du? Es ist irgendwie seltsam. Und es beeinflusst mich. Ich fühle mich ... anders.“

Helen lachte trocken. „Seltsam ist eine Möglichkeit, es auszudrücken. Es ist, als hätte es seinen eigenen Willen. Einen verdrehten, leicht perversen Willen, würde ich sogar sagen. Ich spüre es auch.“

Silvia lachte kurz auf und zog die Decke fester um ihre Schultern. “Es ist, als würde es versuchen, unter meine Haut zu gelangen ... oder in meinen Kopf.“

Helen seufzte, kickte ihre Schuhe von den Füßen und lehnte sich gegen das Kopfteil des Bettes. Sie trug immer noch nur ihr lockeres Hemd, dessen Saum dabei nach oben rutschte und offenbarte, dass sie darunter auch kein Höschen trug. „Wem sagst du das. Dein Vater verhält sich seltsam, die Zwillinge haben diese ... seltsamen Anwandlungen, und ich will gar nicht erst anfangen davon zu erzählen, wie ich vorhin im Wintergarten aufgewacht bin.“

Silvia setzte sich auf und zog eine Augenbraue hoch. „Will ich das überhaupt wissen?“

„Nein“, korrigierte Helen sich schnell und wurde leicht rot. „Auf gar keinen Fall willst du das.“

Einen Moment lang saßen sie einfach nur still da und der Raum war erfüllt von ihrem Schweigen. Helen streckte die Hand aus, berührte sanft Silvias Arm und drückte ihn tröstend. „Wir werden das gemeinsam durchstehen“, sagte sie leise. „Was auch immer ‘das' ist.“

Über ihnen schwebte eine körperlose Margot, unsichtbar, mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Die Luft wurde wärmer, stickiger, erfüllt von einer elektrischen Spannung, die Mutter und Tochter näher zusammenrücken ließ. Ihre Anwesenheit war wie ein samtenes Band, das sich um die beiden Frauen wickelte und ihre gemeinsamen Ängste, Hoffnungen, Wünsche und Verwundbarkeiten zu etwas gefährlich Intimen verband.

Silvia rutschte ein wenig näher und lehnte sich an die Schulter ihrer Mutter. „Hm! Du riechst nach Lavendel“, murmelte sie mit einem Hauch kindlicher Geborgenheit in der Stimme. „Das mag ich.

„Und du riechst nach Staub und alten Büchern“, neckte Helen sie und knuffte sie spielerisch. „Du hättest lieber bleiben und uns weiter beim Auspacken der Kisten helfen sollen, anstatt im Haus nach alten Bibliotheken zu forschen.“

Silvia stöhnte gequält. „Da hast du wahrscheinlich recht. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dort einem Geist begegnet zu sein, was natürlich völliger Unsinn ist. Leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was als Nächstes geschah und wie ich in Papas ...“

Sie merkte gerade noch rechtzeitig, dass sie fast verplappert hätte, und rettete sich mit einem vorgetäuschten Hustenanfall. Ihre Mutter hatte die Ohren gespitzt und hob fragend eine Augenbraue. Aber sie kommentierte Silvias Versprecher nicht.

Silvia fand ihre Fassung wieder, indem sie auf ihr vertrautes Terrain der wissenschaftlichen Argumentation zurückkehrte. „Alle objektiven Studien über angebliche Geistererscheinungen haben gezeigt, dass es so etwas nicht gibt. Man fand immer eine vollkommen plausible, vernünftige Erklärung. Ich würde behaupten, dass dies auch auf unseren Fall hier zutrifft.“

„Oh, ich denke, diese Wette würdest du verlieren“, murmelte Helen leise und blickte nach oben, als würde sie damit rechnen, jeden Moment Margots Erscheinung zu sehen.

Margot ihrerseits war äußerst amüsiert. Sie schwebte tiefer, nahe genug, um Helen etwas ins Ohr zu flüstern. "Du bist ihr jetzt so nah, Helen. Sie ist so warm. So einladend. Warum hältst du sie nicht fester? Lass sie spüren, wie sehr du dich um sie sorgst. Lass sie alles wissen."

Helen schauderte unwillkürlich, die Haare in ihrem Nacken standen zu Berge. Silvia spürte es auch, eine seltsame Hitze, die in ihr aufwallte, trotz der zugigen alten Mauern ringsum. Ihrer beider Atem verlangsamte sich, synchronisierte sich, als die unsichtbare Kraft zwischen ihnen stärker wurde.

„Dieses Haus“, murmelte Silvia, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. “Es macht etwas mit uns.“

Helen nickte, ihre Stimme versagte fast, als sie antwortete: „Ja. Aber vielleicht ... vielleicht ist nicht alles davon schlecht?“

Silvia kuschelte sich näher an ihre Mutter, ihr Kopf glitt von deren Schulter in ihren Schoß. Sie atmete tief ein und sog dabei den Duft der reiferen Frau ein. So etwas ähnliches hatte sie noch nie gerochen und konnte den Geruch daher nicht ganz zuordnen. Er war irgendwie bittersüß und moschusartig, ungewöhnlich, aber verlockend.

Margot grinste von ihrem geisterhaften Hochsitz aus. Gar nicht schlecht, dachte sie und ihr Lachen war wie ein leichtes Summen, das im ganzen Raum vibrierte. Für den Moment reichte es ihr, zuzusehen und das Ganze gerade so weit am Köcheln zu halten, dass Mutter und Tochter sich unwissentlich immer tiefer in ihrem Netz verstrickten. Denn was wäre ein Spiel ohne ein wenig Spannung?

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