Die Botschafterin

Die Lage in der südamerikanischen Republik war eigentlich seit ihrer Unabhängigkeit von Großbritannien vor über 70 Jahren im Vergleich zu den angrenzenden Nachbarländern stets ruhig gewesen, aber seitdem die Russen massiv versuchten die amtierende Regierung zu untergraben und durch Mitglieder einer auf dem Papier kommunistischen Rebellentruppe zu ersetzen, um sich so einen wichtigen Militärstützpunkt zu sichern, hatte sich dies gewandelt.

Es war schwer hier die richtige Seite zu wählen, denn es standen sich eine zwar prowestliche Regierung, welche jedoch hochkorrupt war und vor und nie zurückgeschreckt hatte und die von russischen Beratern um ihrem charismatischen Anführer Miguel Gomez gescharrte Rebellentruppe gegenüber, bei der und zum Tagesgeschäft gehörte.

Zum Glück beschränkten sich die Unruhen bisher auf die Bergregion und einige ländliche Regionen und die Hauptstadt und die bei den westlichen Touristen so beliebte Küstenregion blieb davon unberührt.

Hier einen Friedensvertrag zu vermitteln, war eigentlich aussichtslos, aber unter dessen Deckmantel, versuchte der Westen seinen Einfluss in der Region zu erhalten.

Die 36 jährige Carolin Weingarten bereute fast täglich die Stelle als deutsche Botschafterin in dem südamerikanischen Land angenommen zu haben, aber wenn man im diplomatischen Dienst aufsteigen wollte, durfte man keine Aufgabe ablehnen und wenn sie ihre Sache hier nur ansatzweise gut machen würde, stünde einer baldigen Versetzung in ein europäisches Land nichts im Wege und dies wäre auch nur ein weiterer Schritt auf ihrer Karriereleiter.

Unterstützt wurde sie von ihrer Referentin der Botschaftsrätin Julia Klein, sowie einem Stab von 12 weiteren Mitarbeitern, die in der deutschen Botschaft versuchten eine Anlaufstelle für Reisende aus Deutschland und europäischen Partnerländern zu sein.

Mit ihrer Körpergröße von 1.75 Meter, schulterlangen hellblonden Haaren, blauen Augen und ausgeprägten weiblichen Rundungen, entsprach sie ziemlich exakt dem „Idealbild“ einer deutschen Frau.

Dabei hätte sie auf ihre Rundungen, insbesondere auf ihre großen Brüste hier gerne verzichtet, denn diese machten die Hitze unter ihrer engansitzenden weißen Bluse noch schwerer zu ertragen und dies obwohl die Klimaanlage, die älter war als sie, ihr bestes tat um dagegen anzukämpfen.

Carolin Weingarten hatte für ihre Karriere auf Mann und verzichtet und es sah auch nicht so aus, als würde sich dies noch ändern.

Momentan war sie zusammen mit anderen Botschafterinnen und Botschaftern nahezu 24/7 damit beschäftigt eine friedliche Lösung für das Land zu vermitteln, wobei bei allen Szenarien stets die bestehende Regierung an der Macht bleiben solle.

Dies war in nachvollziehbarer Weise nicht im Sinne der Rebellen und auch große Teile der Bevölkerung wünschten sich zumindest, dass der bisheriger Machthaber Rose Mendez abdankte.

Rose Mendez und seine junge Ehefrau Salma, ein ehemaliges Supermodel, taten zugegebener Weise auch alles, um das Volk gegen sich aufzubringen.

Während das Volk in tiefer Armut lebte, jetteten die zwei um die Welt und die Frau des Präsidenten krönte fast täglich das Cover eines Modemagazins.

Eine Frau die ihr diesbezüglich Konkurrenz machen konnte, wurde heute am internationalen Flughafen der Hauptstadt erwartet. Keine andere als die ehemalige Ministerpräsidentin von Finnland, Sanna Marin war auserkoren worden die Friedensverhandlungen zu leiten.

Die bildhübsche 37jährige Frau war in den letzten Jahren die meistfotografierte Politikerin der Welt gewesen und nach ihrer Niederlage bei den letzten Wahlen auf der Suche nach neuen Aufgaben.

Das ihr Engagement hier die Russen auf die Palme brachte, war vorhersehbar, hatte sie doch Finnland in die NATO geführt und war eine ständige Kritikerin von Putin und der Ukraine gewesen.

Carolin Weingarten brauchte diese Dame nicht wirklich, aber so war sie zumindest die Rolle der Chefvermittlerin endlich los, welche ihr nur Probleme bereitet hatte.

Es war ihr stets schwergefallen für das korrupte Regime zu argumentieren und sie hatte sich so weder auf der einen noch auf der anderen Seite Freunde gemacht.

Die Rebellen, insbesondere deren Anführer Miguel Gomez hatte sie nur einmal persönlich kennengelernt.

Es war auf einem Friedenskonvent auf Kuba gewesen und der Mann hatte sich ersichtlich mehr für ihr Äußeres als für ihre Worte interessiert.

Überhaupt wurde sie als Frau in diesem Land nur begrenzt ernst genommen, ein Grund mehr sich auf die baldige Versetzung zu freuen.

Es klopfte an die Tür und ihre Referentin Julia Klein trat herein. Die kleine Frau, welche die Botschafterin noch nie ohne ihre High-Heels gesehen hatte trug sie eine weiße Bluse und einen knielangen blauen Rock. Die langen blonden Haare der 47-jährigen Diplomatin waren wie immer perfekt frisiert und selbst gegenüber ihr machte sie stets einen sehr resoluten Eindruck.

Sie redete sie immer als „Frau Botschafterin“ an und Carolin wusste nicht, ob dies positiv oder negativ gemeint war. Sie hatte sogar mal überlegt ihr das „Du“ anzubieten, hatte aber davon Abstand genommen, da Frau Klein ein sehr formeller Typ war, der im Job keine Freundschaften pflegte.

Frau Klein war schon einige Jahre länger in diesem Land als sie und ihr Wissen war Carolin eine große Hilfe. Auch, dass sie das restliche Botschaftspersonal unter Kontrolle hatte und auch nicht davor zurückschreckte Leute zu versetzen oder gar zu entlassen, wenn deren Leistung nicht ihrem hohen Standard entsprach. Damit machte sie sich alles andere als beliebt bei ihren Mitarbeitern, was sich im Gegenzug aber positiv auf Carolin auswirkte, die dann im Hintergrund bleiben konnte und so bei den Mitarbeitern ein hohes Ansehen genoss, auch wenn sie es nicht wirklich verdiente, da sie die Entscheidungen von Frau Klein stets mittrug, ohne dass sie dafür verantwortlich gemacht wurde.

Heute stand die Agenda der nächsten Woche auf dem Plan und der Terminkalender der Botschafterin platzte aus allen Nähten.

Bereits für den heutigen Abend war ein Treffen mit Sanna Marin eingeplant, um diese bezüglich des Sachstandes der Friedensverhandlungen zu briefen. Für den morgigen Tag gab es einen Empfang für eine weibliche europäische Altpfadfindergruppe. Carolin hatte sich da Personen zwischen 70 und 80 vorgestellt, wurde aber von Frau Klein belehrt, dass es sich hierbei um 20 junge Frauen zwischen 18 und 30 Jahre handelte, welche ein Sozialprojekt hier im Land unterstützen wollten.

Am Dienstag Tag stand ein Besuch an einem Filmset auf dem Programm. Szenen des neuen Marvel Films wurden hier am Strand gedreht und Carolin würde sich mit dem Regisseur und einigen der international bekannten Schauspieler treffen, um mit diesen in Interviews für den Frieden in der Region zu werben.

Am Abend des gleichen Tages stand dann der Besuch einer Modenschau auf dem Programm, welche durch die Vermittlung der Ehefrau des Präsidenten von sehr prominenten Modells in einer der Hafenstädte abgehalten wurde.

Für Mittwoch war ein Treffen mit einem Überraschungsgast angekündigt, deren Namen noch nicht einmal dem Außenministerium bekannt war und welches unter den allerhöchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfand.

Die weiteren Termine waren eher langweiliger Natur und bezogen sich größtenteils auf administrative Tätigkeiten.

Wie zu erwarten standen auch wieder Personalentscheidungen auf dem Programm. Zwei einheimische Mitarbeiter sollten entlassen werden, da sie sich abfällig bzw. anzüglich gegenüber weiblichen Mitarbeitern der Botschaft verhalten hatten und ein deutscher Mitarbeiter sollte versetzt werden, da er sich allzu sehr für die Ziele der Rebellen zu begeistern schien.

Nachdem Frau Klein mit ihrer Kladde herausgestöckelt war, zog sich Carolin hinter ihren Schreibtisch zurück, um die Unterlagen für die nächste Woche durchzugehen.