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Chapter 14
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Studien
Am nächsten Morgen traf ich unseren Gast perfekt angekleidet vor. Hemd und Hose passten wie für ihn maßgeschneidert, und eine neue Welle der Dankbarkeit meiner Freundin gegenüber überkam mich. Auch sie schien mit ihrem Werk sehr zufrieden. Obwohl sie sicherlich eine anstrengende und kurze Nacht gehabt hatte, wirkte sie aufgeblüht und ihre Augen leuchteten.
Nach dem Frühstück nahm ich den jungen Mann auf einen Spaziergang über mein Gut mit. Meine beiden Knechte wahrten bewundernswerte Haltung, gingen ungerührt ihrer gewohnten Arbeit nach und kommentierten das plötzliche Auftauchen des Unbekannten oder sein ungewöhnliches Aussehen weder mit Worten noch mit Blicken.
Mein Gast erfreute sich unterwegs offenkundig an den zahlreichen Blumen und beugte sich immer wieder hinab, um über die zarten Blütenblätter zu streichen und an den Kelchen zu riechen. Mir kam der Gedanke, ihm die Namen der Pflanzen in meiner Sprache zu nennen und er antwortete in seinen Worten, die vermutlich die gleiche Bedeutung hatten. So fanden wir einen Weg, voneinander zu lernen und uns nach und nach zu verständigen, indem wir die gleiche Methodik auch auf andere Dinge anwandten. Er war äußerst intelligent und lernte schnell -- vermutlich war dies eine besondere Eigenschaft seiner Rasse, so dass wir uns schon nach wenigen Tagen einigermaßen fließend unterhalten konnten. Er nannte mir auch seinen Namen, der allerdings zu lang und kompliziert war, als dass ich ihn fehlerfrei aussprechen konnte. Daher rief ich ihn mit seinem Einverständnis bei den ersten beiden Silben „Dago".
Ich fühlte mich immer stärker dafür verantwortlich, dass Dago hier weitab seiner Heimat und getrennt von seinem Volk gefangen war und wollte einen Weg finden, ihn zurück senden zu können. Als einziges Mittel dazu fielen mir die Bücher meiner Großtante ein. Ich versuchte, mich an Stellen zu erinnern, die unserer Situation ähnlich waren, und schlug sie nach. So sprang ich von Buch zu Buch, hierhin und dorthin, ohne einen Schlüssel für unser Problem zu finden. Nachdem mir auffiel, dass ich einen Text schon zum dritten Mal gelesen hatte, kam ich zu dem Schluss, dass diese Art der unstrukturierten Suche wohl kaum erfolgreich sein würde. Ich begann also ein systematischeres Studium der Werke, nachdem ich sie grob nach Themengebieten sortiert hatte.
Dago saß die meiste Zeit bei mir und ermutigte mich, auch wenn er selbst wenig zur Lösung beitragen konnte, da ihm gedrucktes Wissen sowie die Kunst des Lesens und Schreibens gänzlich unbekannt waren. Er erklärte mir, dass er in seiner Welt kein Gelehrter oder Zauberer gewesen war, sondern Gärtner. Er verstand sehr viel von Pflanzen, wusste auch ein wenig über das Wettergeschehen und konnte reichen von weniger fruchtbarem Boden unterscheiden. Mit Beschwörungen oder magischen Reisen hatte er sich nie beschäftigt. Da ihm unsere profanen Schriftzeichen unbekannt waren, konnte er mich auch nicht direkt bei meiner Aufgabe unterstützen. Trotzdem empfand ich alleine schon seine Nähe als anregend und wohltuend. Er war sehr geduldig, immer gut gelaunt und richtete mich auf, wenn ich nach langen fruchtlosen Stunden des Lesens niedergeschlagen war.
Auch Nanescha hatte nie lesen gelernt und konnte mir daher nicht helfen. Im Gegenteil glaubte sie, dass das Wissen, das wir benötigten, nie zwischen Buchdeckel gepresst worden sei. Die Überlieferungen der weisen Frauen wurden immer nur von Mund zu Ohr weitergegeben und im Gedächtnis bewahrt.
Ich beschwor sie, ihre Erinnerungen zu erforschen, um einen Ausweg aus unserer Misere zu finden. Doch ich konnte mich zunehmend des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nicht mehr ernsthaft daran interessiert war, Dago fort zu schicken. Besonders morgens, wenn sie zumeist selig lächelnd aus ihrem Zimmer kam, in dem sie ihn selbstlos aufgenommen hatte, lag ihr offenbar nichts ferner.
Es hatte sich eingebürgert, dass Dago die Nächte in ihrem Bett verbrachte, obwohl er, soweit ich erfahren hatte, gar keinen Schlaf benötigte. Und fast jede Nacht konnte ich hören, wie sich Nanescha erneut opferte. Das konnte ich mir nur so erklären, dass Dago ein Geschöpf der Nacht war und ihn zu diesen dunklen Stunden das Heimweh derart stark überkam, dass immer wieder sein Ärger und seine Wut aufwallte, den meine Freundin dann schlichten musste. Aber ich wagte es nie, sie oder gar ihn darauf anzusprechen. Mein Anteil an der Sühne, die wir für das Missgeschick zu leisten hatten, bestand darin, die Geräuschkulisse, die aus ihrem Zimmer in meines herüberdrang, stumm zu ertragen und dabei wieder und wieder die Erlebnisse der ersten Begegnung zu durchleben. Warum es mir dabei so unerträglich heiß wurde, dass ich mich am liebsten der Bettdecken und meines Nachthemds entledigt hätte, blieb mir unverständlich. Und das Kribbeln in meinem Bauch und die zunehmende Feuchtigkeit, die sich in meinem Schritt ausbreitete, wenn sich die Bilder der aneinander klatschenden nackten Leiber von Nanesha und Dago vor mein inneres Auge stahlen, waren mir dermaßen schambehaftet, dass ich niemals mir irgendjemanden darüber zu reden gewagt hätte.
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Freiin Cornelia
Märchen, Spukgeschichten und okkulte Bücher, die mir eine Großtante hinterlassen hat
Freiin Cornelia wird mit achtzehn Jahren plötzlich und unvorbereitet Herrin über ein kleines Familiengut. Ihr Zeitvertreib beschränkt sich im Wesentlichen auf das Vergnügen, Märchen, Spukgeschichten und okkulte Bücher zu lesen, ohne das wahre Leben kennen zu lernen. So schwirrt es in ihrem Kopf von Hexen, Zauberern, weißen Rittern, Elfen und höllischen Dämonen. Andernfalls wäre es vermutlich nicht zu dieser Geschichte gekommen.
Updated on Aug 19, 2023
Created on Aug 3, 2023
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