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Chapter 4
What's next?
Nanesha
Von diesem ersten Abend an besuchte ich die Zigeuner regelmäßig in ihrem Lager und aus Fremden wurden Bekannte. Ich lernte, den ungewohnten Dialekt, den sie untereinander sprachen, immer besser zu verstehen, so dass ich mich schon bald an Unterhaltungen beteiligen und an ihrem Leben teilhaben konnte. Ich blühte geradezu auf und gewann derart viele neue Erfahrungen und Einsichten, dass ich mir schon bald wie ein völlig neuer Mensch vorkam.
Meine beiden Knechte verbargen ihren Unmut über mein verändertes Verhalten nicht. Doch ließ ich mich davon nicht verunsichern oder ****. Ich maß ihre ablehnende Haltung den Fremden gegenüber den tief verwurzelten Vorurteilen zu, die die alteingesessene Landbevölkerung Zigeunern gegenüber hegte. Ich pflegte und genoss die neuen Bekanntschaften und suchte ganz bewusst den Kontakt zu ihnen.
Besondere Vertrautheit, geradezu Freundschaft entwickelte ich zu einer jungen Frau namens Nanescha, der Enkelin des Alten, der mich in die Gemeinschaft eingeführt hatte. Sie musste ungefähr in meinem Alter sein, aus ihren Augen sprach aber eine unendlich größere Lebenserfahrung, als ich je hoffen konnte, sie zu erwerben. Auch äußerlich schienen wir komplette Gegensätze zu sein. Während ich blondgelockt, hellhäutig und von schlanker, fast knabenhafter Gestalt war, hatte sie eine üppige weibliche Figur, kohlschwarze glatte Haare und eine Haut, die nicht nur von Wetter und Sonne gebräunt war. Aber wir stellten fest, dass wir gemeinsame Interessen und Sehnsüchte hatten.
So wie ich aus der Hinterlassenschaft meiner Großtante eine Neigung zu Übernatürlichem und Okkultem aufgesogen hatte, war Nanescha ein Kind ihres Volkes und dessen Überlieferungen. Ihre Großmutter hatte sie zudem Wissen und Fertigkeiten gelehrt, die nur vertraulich innerhalb der Frauen einer Sippe weitergegeben und gehütet wurden. Dass sie diese mir gegenüber nicht offenbaren wollte, rief zum einen eine gewisse Skepsis in mir wach. Waren diese unglaublichen Kräfte, von denen sie Andeutungen verlauten ließ, vielleicht doch nur Ammenmärchen, um naive Leute wie mich zu beeindrucken?
Zum anderen setzten ihre undurchsichtigen Anspielungen auch einen Stachel in mein Fleisch, mehr darüber zu erfahren, was wirklich hinter diesem vermeintlichen Zigeunerzauber steckte. Also drängte ich sie immer nachdrücklicher, mir einen Beweis für ihre Behauptungen zu zeigen, bis sie mir anbot, aus meiner Hand zu lesen. Erfreut und gleichzeitig aufgeregt ging ich darauf ein. Nun würde ich endlich die Wahrheit erfahren.
Wir saßen im flackernden Kerzenschein in ihrem Wohnwagen. Ich reichte ihr meine offene Hand, die sie festhielt und nachdenklich betrachtete. Mit ihren Fingern fuhr sie die feinen Linien in meiner zarten Handfläche nach. Dabei murmelte sie für mich unverständliche Worte. Schließlich hob sie ihren Kopf und schaute mich eindringlich an. Ich bebte vor Erwartung.
Doch zu meinem Bedauern eröffnete sie mir keine großen und welterschütternden Offenbarungen. Kaum überraschend weissagte sie mir lediglich eine glückliche Zukunft und die Heirat mit einem schönen, liebevollen Gemahl. Ich war zutiefst enttäuscht. Dieses Klischee durchschaute sogar ich einfältige Gans. Vermutlich erzählte sie mir nur das, was ich wie jede junge Frau aus gutem Hause ihrer Meinung nach hören wollte, um mich zufriedenzustellen und endlich Ruhe vor meinem stetigen Nachbohren zu haben.
So leicht würde ich mich aber nicht abwimmeln lassen. Um ihr hoffentlich mehr zu entlocken, lud ich sie ein, zu mir nach Hause zu kommen, wo wir eine weitere Sitzung abhalten sollten.
Auch diese ergab für mich keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich meiner Zukunft. Dennoch erwies sich der Besuch als Schlüssel, der für mich die Tür in ein bis dahin unbekanntes Morgen aufschloss.
Ich zeigte ihr meine kleine Bibliothek und bot ihr an, ein wenig aus den Büchern, die ich schon unzählige Male gelesen hatte, so dass ich ihren Inhalt beinahe auswendig aufsagen konnte, vorzulesen. Froh und auch ein wenig stolz durfte ich feststellen, dass die aufgeschriebenen Geschichten Naneschas Interesse weckten, so dass sie darum bat, wieder kommen zu dürfen. Im Gegenzug bot sie mir an, mir Geschichten über unheimliche Geschehnisse und übersinnliche Wesen aus ihrem Gedächtnis zu erzählen. Ab diesem Zeitpunkt wurden unsere Treffen in meinem Haus zu einer häufigen und von uns beiden geliebten Übung.
Mit jedem Besuch vertieften sich unsere Gespräche über Sagengestalten und vermeintliche Magie. Ich verglich mein angelesenes Wissen über diese Dinge mit der mündlich überlieferten Folklore ihres Volkes und wir entdeckten zahlreiche Übereinstimmungen. Dies konnte kein Zufall sein, sondern es musste ein wahrer Kern darin stecken. Somit war ich bald überzeugt, dass Geister und Zauberei wirklich existierten und dass meine Freundin in diesen Künsten wahrhaft bewandert war.
What's next?
Freiin Cornelia
Märchen, Spukgeschichten und okkulte Bücher, die mir eine Großtante hinterlassen hat
Freiin Cornelia wird mit achtzehn Jahren plötzlich und unvorbereitet Herrin über ein kleines Familiengut. Ihr Zeitvertreib beschränkt sich im Wesentlichen auf das Vergnügen, Märchen, Spukgeschichten und okkulte Bücher zu lesen, ohne das wahre Leben kennen zu lernen. So schwirrt es in ihrem Kopf von Hexen, Zauberern, weißen Rittern, Elfen und höllischen Dämonen. Andernfalls wäre es vermutlich nicht zu dieser Geschichte gekommen.
Updated on Aug 19, 2023
Created on Aug 3, 2023
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