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Chapter 5
What's next?
Äquinoktium
Doch dann trat ein unerwartetes Ereignis ein, das mein neues Leben und die liebgewonnene Freundin gefährdete. Untröstlich war ich, als sie mir eröffnete, dass ihre Sippe weiterziehen wollte. Ich versuchte mein Möglichstes, sie zum Bleiben zu bewegen. Die Entscheidung läge nicht bei ihr, eröffnete sie mir. Einzig das Familienoberhaupt, ihr Großvater würde bestimmen, wohin seine Angehörigen gingen und wo sie blieben. Es war wie ein tiefer Stich in mein Herz.
Alle Vorsicht vergessend eilte ich noch in der gleichen Stunde in das Lager der fahrenden Leute, in dem schon überall die Anzeichen des bevorstehenden Aufbruchs zu erkennen waren. Ich bat den Alten inständig, seiner Enkelin zu gestatten, bei mir zu wohnen, weil sie mir sehr ans Herz gewachsen war. Als dies keine Wirkung zeigte, verstieg ich mich dazu, einen Preis für ihr Bleiben zu bieten.
Halbwegs befürchtete ich, ihn damit beleidigt zu haben und dadurch Nanescha erst recht zu verlieren. Doch zu meiner nicht gelinden Überraschung ging er darauf ein und erwies sich als gerissener und erfahrener Feilscher. Am nächsten Morgen zog Naneschas Sippe ohne sie weiter, führte aber fast die Hälfte unseres Viehbestands mit sich. Ich bemerkte die grimmigen Mienen meiner beiden Knechte kaum, während ich überglücklich die Hand der jungen Frau hielt, die mir schon beinahe wie eine liebe, ältere Schwester vorkam.
Dass sie über die Trennung von den Menschen, mit denen sie ihr gesamtes Leben verbracht hatte, traurig sein könnte, wollte ich nicht wahrhaben. Stattdessen war ich aufgekratzt und voller Tatendrang, wie ein Kind, das ein neues Spielzeug geschenkt bekommen hatte. Sobald die letzten Wagen, Tiere und Menschen aus unserem Blickfeld verschwunden waren, zog ich sie ins Haus und überfiel sie mit tausenden Vorschlägen, Fragen und Angeboten.
Anfangs blieb sie ungewohnt schweigsam und verschlossen. Dies wollte und konnte ich aber keineswegs akzeptieren. Ich bedrängte sie weiter und zunehmend massiver, bis sie endlich nachgab und bereitwillig begann, meinen Wissensdurst zu stillen.
In den folgenden Wochen und Monaten war Nanescha ein schier unerschöpflicher Quell neuer und fantastischer Geschichten und Fabeln und in der Rückschau fürchte ich, ich verlor zusehends den Bezug zur Realität.
Doch je mehr sie mir erzählte, desto stärker kam ich zur Überzeugung, sie verheimliche mir etwas, aus **** dafür, dass ich sie von ihrer **** und Sippe getrennt hatte. Ich unterstellte, ihre langen, mit zahlreichen Details ausgeschmückten Erzählungen würden nur dazu dienen, mich von etwas Wichtigerem abzulenken.
In meinem überspannten Geisteszustand war ich nämlich vollkommen davon überzeugt, dass sie tatsächlich magische Fähigkeiten besäße, die sie mir vorenthalten wollte. Immer häufiger und hartnäckiger bedrängte ich sie, mir Proben ihrer Zauberkunst zu zeigen und mich in ihre Geheimnisse einzuweihen.
Endlich, nur wenige Tage vor der herbstlichen Tagundnachtgleiche ging sie auf meine Bitten ein. Sie raunte mir verschwörerisch zu, ihre Großmutter sei eine wahre Hexe und habe sie gelehrt, die für Sterbliche unsichtbaren Wesen, die die Natur um uns bevölkerten, zu entdecken und zu beschwören. Während des Äquinoktiums seien die Barrieren zwischen den Welten der Menschen und der Naturgeister am schwächsten, so dass selbst wir mit unseren unvollkommenen Mitteln und unseren schwachen Kräften in der Lage seien, einen Blick hindurch zu werfen.
Gemeinsam machten wir Pläne und ich befahl meinen Knechten, uns in jener Nacht unbedingt alleine zu lassen und nicht zu stören, gleich was geschehe und was sie vermeinten zu sehen oder zu hören.
Am Abend des 23. Septembers wähnte ich mich meinen kühnsten Träumen und höchsten Hoffnungen nah. Ganz wie ich es mir vorgestellt hatte, zeichnete Nanescha mit weißer Kreide einen Beschwörungskreis auf den Parkettboden des Wohnzimmers, von dem wir gemeinsam den dicken Teppich weggerollt hatten. Dann stellte sie Schälchen mit Salz, Kräutern und seltenen Erden neben den Kreis. Sodann hieß sie mich, die fünf gleichmäßig um den Perimeter verteilten Kerzen anzuzünden, während sie selbst unter dem Rezitieren fremdartig klingender Formeln okkulte Zeichen entlang der Kreidelinie auf den Boden schrieb.
Als diese Vorbereitungen vollbracht waren, warf Nanescha einen letzten Blick durch das Fenster auf die untergehende Sonne. Als diese endgültig verschwunden war, zog sie die langen, dichten Vorhänge zu. Kein Licht außer dem der fünf Kerzen sollte während des Rituals in den Kreis fallen.
Ich sah meiner Freundin erwartungsvoll zu, als sie zur Ausgangstür ging, diese mit dem großen Schlüssel fest verriegelte und dann zu mir kam.
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Freiin Cornelia
Märchen, Spukgeschichten und okkulte Bücher, die mir eine Großtante hinterlassen hat
Freiin Cornelia wird mit achtzehn Jahren plötzlich und unvorbereitet Herrin über ein kleines Familiengut. Ihr Zeitvertreib beschränkt sich im Wesentlichen auf das Vergnügen, Märchen, Spukgeschichten und okkulte Bücher zu lesen, ohne das wahre Leben kennen zu lernen. So schwirrt es in ihrem Kopf von Hexen, Zauberern, weißen Rittern, Elfen und höllischen Dämonen. Andernfalls wäre es vermutlich nicht zu dieser Geschichte gekommen.
Updated on Aug 19, 2023
Created on Aug 3, 2023
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