Lorena meint es bitterernst

Alex sah sie von der Seite an. "Also mal ganz ehrlich", sagte er, "das ist jetzt ein bisschen dick aufgetragen. Von außen kann mir ja erstmal niemand ansehen, dass ich etwas habe, das andere nicht haben. Und ich weiß nicht, wie viel dir die anderen von mir gesagt haben, aber ich bin nicht wirklich sesshaft. Ich hab kein Haus, keine Wohnung, ich hab nur mein Motorrad und bin so mobil, wie es nur geht. Das ist kein besonders sicherer Lebensstil, klar. Aber ich hab nicht irgendwelche Verfolger zu fürchten, so wie du und die anderen vielleicht."

Aber Lorena schüttelte den Kopf. "Du weißt nicht, was woanders passiert. Du hast keine Ahnung, was man alles unternimmt, um uns in die Hände zu bekommen. Und wenn du glaubst, du könntest dich verstecken, dann unterschätzt du, wozu unsere Gegenspieler bereit sind. Steffen hat dich vorhin getestet, oder?"

"Hat er." Alex schauderte bei dem Gedanken. "Es war... verstörend, wie er-"

"Bis vor zwei Jahren hat er noch für die Gegenseite gearbeitet", sagte Lorena kalt. "Sein Job war es, andere mit paramenschlichen Fähigkeiten aufzuspüren."

Erschrocken starrte Alex zu ihr. "Aber wenn die Leute wie ihn jagen, wieso-"

Lorena lächelte müde. "Weil sie ihn dann in Ruhe lassen", antwortete sie. "Weil er dachte, er wäre sicher, wenn er ihnen hilft. Aber das war ein Irrtum. Einer, den er eingesehen hat, nachdem er herausgefunden hat, was sie mit mir gemacht haben."

"Okay", gab Alex vorsichtig zurück, "und was haben sie mit dir gemacht?"

"Experimente", sagte Lorena leise. "Weißt du, dem Staat geht es nicht einfach nur darum, uns aus der Welt zu schaffen. Die wollen unsere Kräfte für sich nutzen. So was wie Steffen zum Beispiel ist der perfekte Spion. Er kann quasi in jede Haut schlüpfen, in die er schlüpfen will. Oder denk an Tom. Was wäre Tom für ein großartiger Arbeiter, egal in was für einem Job!"

Alex hob eine Augenbraue. "Was kann denn Tom? Das einzige, was ich von ihm weiß, ist dass er einen ziemlich fetten Schwanz hat-"

Lorena musste unwillkürlich lachen. "Ja, den hat er wirklich", sagte sie. "Aber außerdem hat er eine quasi unendliche Ausdauer. Er wird nie müde, und er sagt, er schläft nur deshalb, weil es ihm nachts sonst zu langweilig wird."

"Oh." Alex nickte. "Okay, das klingt wirklich praktisch."

"Jedenfalls", fuhr Lorena fort, "sind unsere Gegenspieler absolut nicht zimperlich bei dem, was sie machen. Und wenn sie glauben, sie könnten damit Erfolg haben, versuchen sie unsere Kräfte auch noch in ihrem Sinne zu verbessern." Sie verdrehte die Augen. "Entsprechend dem, was sie für 'besser' halten. Und wenn das nicht klappt, bringen sie uns um!"

Mitfühlend sah Alex zu ihr. "Du hast jemanden verloren, nehme ich an?"

Doch Lorena schüttelte den Kopf. "Nein", sagte sie. "Aber ich wäre beinahe eine von denen gewesen, die sie umgebracht haben."