Der Gönner

Thomas hatte gerade die Mülltonne an die Straße gezogen, als die Stimme kam. Dieses sonore, stets etwas zu selbstsichere Knarzen, das nach teurem Whiskey und verpassten Gelegenheiten klang. „Thomas.“

Er drehte sich um. Rolf stand auf der gegenüberliegenden Seite der Einfahrt, Hände in den Taschen seines Bademantels, als käme er gerade aus dem Dampfbad. Er grinste. Nicht freundlich. Nicht offen. Eher wie jemand, der zu viel weiß und zu lange geschwiegen hat.

„Die Kleine. Michelle. Hübsch. Hübscher als die letzte. Und mutiger.“

Thomas schwieg. Rolf trat näher. Nicht viel. Nur zwei Schritte, aber es fühlte sich an wie ein halber Meter zu viel.

„Weißt du, dein Wohnzimmerlicht ist abends ein Traum. Ich sitze oft mit einem Glas in der Hand auf meiner Terrasse und frage mich, was wohl als Nächstes passiert. Es ist... faszinierend. Kunst, fast.“

Thomas schluckte. Der Reiz war da, keine Frage. Aber mit Rolf sprach man nicht über Ethik. Man sprach über Möglichkeiten. Und Rolf hatte immer Möglichkeiten.

„Ich will nichts. Nur sehen. Nur... dabeisein. Sauna vielleicht. Alles ganz privat. Ich hab das Gefühl, du weißt, wie man führt. Und ich hab das Gefühl, sie folgt dir. Noch.“

„Aber übertreib’s nicht. Sie ist kein Spielzeug. Noch nicht.“ Er lachte, kurz, trocken, wie ein Hund, der nur einmal bellt, um zu zeigen, dass er da ist.
„Überleg’s dir. Heute. Morgen. Bald. Sag’s ihr... behutsam. Mach es zu ihrem Wunsch. Du bist doch gut darin, Wünsche zu pflanzen.“
Und mit dem Einpflanzen kannte Rolf sich gut aus. GÄRTNERSAMEN

Dann ging er. Langsam. Die Bademantelgürtel-Enden schlugen gegen seine Schenkel, und Thomas blieb zurück mit dem Echo dieser Worte im Kopf: *Mach es zu ihrem Wunsch.* Er hat die ganze Zeit auf den massiven Schwanz in diesem pinken Leinen starren müssen

Michelle war zu früh. Die Sonne stand noch hoch, das Pflaster flimmerte leicht, und Thomas’ Parkplatz war leer. Sie lehnte sich an die Hauswand, blickte aufs Handy. Keine Nachricht. Nichts.

Dann hörte sie Schritte auf Kies. Langsam. Schwer. Rolf.

Er trug ein zu offenes Hemd, als würde er den Sommer auf seiner Brust provozieren. Sein Blick blieb an ihr hängen – nicht auf eine plumpe Art, eher wie jemand, der ein Möbelstück taxiert, das er irgendwann kaufen wird.

„Wartest du auf Thomas?“ Seine Stimme war heiser, zu tief

Michelle nickte nur.

„Er ist nicht da. Aber du kannst bei mir warten, wenn du willst. Drüben. Ein Glas Wasser. Oder nur sitzen. Die Sonne ist gnadenlos heute.“ Er deutete über die Hecke zu seiner Gartenseite, zu seinem Haus, mit Pool, Steinplatten, Glastür. Und schlagmichtodterrasse.

„Ich warte hier“, sagte sie. Ihre Stimme klang fester, als sie sich fühlte.

Rolf trat näher. Keine Eile. Kein Respekt. „Du bist mutiger als du aussiehst. Oder dümmer. Aber hübsch. Thomas hat einen Geschmack für... Dinge, die man nicht sofort versteht.“

Sie sah ihn an. Kurz. Dann länger. Etwas in ihr – die erzogene Michelle, die brave Tochter – Empörung. Aber darunter: Prickeln. Kein Ekel. Neugier. Abstoßend verlockend.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Natürlich nicht.“ Er lächelte. „Aber du wirst es irgendwann wissen. Wenn du lang genug mit ihm spielst. Oder mit mir.“

Ein Moment zu lang. Ihre Augen trafen sich. Kein Flirt, kein Spiel. Es war wie der Blick in eine Zelle, die man nicht aufmachen wollte – und doch den Schlüssel schon in der Hand hielt.

Dann öffnete sich die Tür hinter ihr. Thomas. Auto in der Werkstatt, Zuhause. Wie ein Riss in einem Traum.

Rolf hob die Hand wie ein Gentleman. „Wir sehen uns, Michelle. Früher oder später.“

"Was machst du hier?"