Abend, Nacht und Morgen

Orgiastis machte sich ungesehen vom Acker, er sammelte seine Habseligkeiten zusammen und richtete sich einen Schlafplatz unter einem Baum ein. Ob die letzte Aussage von James ernst zu nehmen war, wollte er erst morgen Abend herausfinden und sich bis dahin möglichst unauffällig verhalten. Heute beschäftigte er sich mit dem Weinschlauch und wollte überlegen, was zu tun wäre, um seine Chancen bei Thea zu erhöhen, aber alkoholbedingt kam er damit nicht weit.

Vicky und James sprangen nochmal ins Wasser, tranken noch ein Glas Wein am Balkon und sprachen über alles Mögliche; vom Lehen und wie man in Zukunft mit der Windfangtüre und Thea umgehen wollte, aber Orgiastis kam nicht mehr zur Sprache, ehe sie zu Bett gingen.

Thea las an diesem Abend das gesamte Kapitel, das sich mit Rahja beschäftigte und sie hatte auch begonnen, sich über Rahjas göttliche Geschwister schlau zu machen, als sich Sieglinde und Cusimo zu ihr gesellten. Anfangs war Thea darüber nicht erfreut, aber im Laufe des Abends erklärten ihr die beiden mehr, als sie je aus dem Buch lernen hätte können.

Als sie sich dann hinlegte, war ihr bereits klar, dass sie sich für Rahja als Hauptgöttin entscheiden würde. Zwar sagten ihr auch Aspekte der anderen Götter zu, aber sie kam zum Schluss, dass Rahja, als die Göttin Thea rettete, auch sie selbst vor dem **** bewahrt hatte. Denn wäre Vicky gefallen, hätte niemand auf ihre Unschuld hinweisen können und die Praioten hätten sich gar nicht erst eingehender mit ihr beschäftigt, da sie nur eine einfache Magd war.

Es war auch das erste Mal, dass Thea betete, bevor sie einschlief. [Mann muss aber hier anfügen, dass Thea erst von Sieglinde erfuhr, dass die Rahjakirche Masturbation im Allgemeinen als Gebet betrachtete.]

Der nächste Morgen:

Orgiastis erwachte, als die Vögel die Dämmerung begrüßten. Er war froh, wieder einmal jenseits einer stinkenden Stadt aufwachen zu dürfen. Er liebte die Morgenstunden, das Erwachen der Natur und das erste Licht des Tages. Sein Mund war trocken, also raffte er sich auf, ging zu einem Brunnen, um seinen Brand zu löschen. Er beobachtete die Vögel und düselte dann wieder ein.

Er schreckte auf, als er ein Platschen hörte. James war, wie jeden Morgen nach seiner Meditation, in den Teich gesprungen und deutete Orgiastis es ihm gleich zu tun. Die Sonne war nun schon hoch am Himmel, als die beiden wieder trocken waren und James sich aufmachte, ins Haus zu gehen.
“Wann gibt es Frühstück?'' rief er dem Baron nach.
“Eine Stunde nach dem Signal, im kleinen Saal!”
Orgiastis konnte sich zwar keinen Reim darauf machen, was James meinte, da war der Baron auch schon weg. Aber immerhin wusste er, wo er hinmusste und konnte somit nichts verpassen. Amüsiert stellte er fest, dass er sich noch nie in seinem langen Leben so kurz hintereinander zweimal derart intensiv gewaschen hatte. Sieglinde hätte heute sicher keinen Grund, die Nase zu rümpfen. Er setzte sich auf die Veranda vor dem kleinen Saal, machte es sich bequem und schlief nochmals ein.

Vicky und James waren sich gestern einig geworden, was ihren Umgang mit der Akustik in ihren Gemächern betraf, somit blieben die Fensterläden offen und der Weckruf ertönte weiterhin allmorgendlich. Sie wurden erst nachher geschlossen und erst beim Schlafengehen wieder geöffnet, die Windfangtür wurde genauso behandelt.

Das ganze Thema Weckruf wurde im Laufe der Zeit natürlich zum Gesprächsthema der Bewohner, gar nicht so wenige waren auf die richtige Spur gekommen; sie hatten zurecht vermutet, dass Vicky darauf bestand, diesen “Weckruf” beizubehalten und nicht James.

Nicht nur Orgiastis wachte erschrocken auf, als Vicky los brüllte, das ganze Haus kam dadurch langsam in Bewegung.