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Chapter 2 by Daemony Daemony

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1 [German] Der neue Pfarrer

Bernhard legte sich ins Zeug, um das Geläut im Kirchturm ins Schwingen zu kriegen. Laut schallte sein Klang hinaus in das enge Bergtal. Was ihn dabei belastete, war nicht die Trägheit der schweren Bronzeglocken, die ihn ****, sein ganzes Gewicht ans Seil zu hängen, damit sie in Schwung kamen. Die wahre Last war die Trägheit der Menschen. Seit er vor Wochen hier seinen Dienst als neuer Pfarrer des kleinen, einsam auf einem Bergvorsprung oberhalb des Dorfes gelegenen Kirchleins angetreten hatte, war keine einzige Seele zu den heiligen Messen gekommen, die er zelebrierte.

Tapfer erledigte er trotzdem seine Pflicht. In den abgeschiedenen Tälern lebte ein zurückhaltender, misstrauischer Menschenschlag, sagte er sich, die nur langsam auf Veränderungen eingingen. Auch der Bischof hatte ihn gewarnt, dass es nicht einfach sein würde, den alten Pfarrer, der ein hohes Ansehen in der Gemeinde gehabt hatte, zu ersetzen. Er musste seinen neuen Schäfchen einfach nur etwas Zeit geben. Dann würden sie schon zu ihm kommen und erkennen, dass er ein guter Hirte war.

Schließlich war es seine erste Investitur. Sie wussten nicht, was sie von ihm zu erwarten hatten. Derweil ging er auf sie zu in der Überzeugung, dass er nur Vertrauen von den Menschen erwarten durfte, wenn er es ihnen zuerst entgegenbrachte.

Zu seiner Überraschung wurde er in den Häusern im Dorf überall freundlich aufgenommen. Man sprach mit ihm, erkundigte sich höflich, woher er kam und wie es ihm ging. Oft wurde er sogar zum Essen eingeladen, wenn er die Bauernhäuser betreten hatte.

Doch wenn er die Sprache auf die Kirche über dem Ort und die Gottesdienste, die er dort abhalten wollte, brachte, verstummten die Gespräche jedes Mal abrupt. All seine Bemühungen, den Grund dafür zu erfahren, fruchteten nicht. Es war, als ob eine Mauer des Schweigens um dieses Thema errichtet wurde, die nicht überwunden werden konnte.

Mit der Zeit begann er, an sich selbst zu zweifeln. War es seine Unerfahrenheit, die es ihm unmöglich machte, den Schlüssel zu ihren Herzen zu finden. Oder war er vielleicht sogar persönlich völlig ungeeignet für das Priesteramt? War die Berufung, die er meinte, gefühlt zu haben, als er sich für dazu entschied, Pfarrer zu werden, vielleicht einfach nur ein gewaltiger Irrtum gewesen?

Diese Gedanken gingen ihm im Kopf herum, während er sich in die Glockenseile lehnte, um eine Gemeinde zu rufen, die ihm nicht folgen wollte. Noch war er nicht bereit aufzugeben, doch der Zweifel nagte tief in ihm. Wie lange sollte er noch aushalten? Wann müsste er sich seinem Bischof offenbaren und darum bitten, von der Pfarrstelle abgelöst zu werden?

Während der letzte Schall des Geläutes verklang, machte er sich auf den Weg vom Glockenturm zur Sakristei. Selbstverständlich hatte er keinen Messner, keine Ministranten oder sonst jemanden gefunden, der bereit gewesen wäre, ihn in der Kirche und mit den Vorbereitungen zu unterstützen. Also musste er alles selbst erledigen.

Anfangs hatte er sich zuerst in seine liturgischen Gewänder gekleidet und hatte danach die Glocken geläutet, um vollkommen bereit zu sein, wenn die ersten Gläubigen seinem Ruf folgten und in die Kirche strömten. Die schwere, ungewohnte Arbeit hatte ihn jedes Mal erhitzt und schwitzend zurückgelassen. So stand er dann zwar in vollem Ornat, aber einsam, mit kaltem Schweiß bedeckt und bibbernd in der zugigen leeren Kirche und wartete auf Menschen, die nicht kommen würden.

Glücklicherweise war er **** und kräftig, sodass seine Konstitution ihn davor bewahrte, krank zu werden. Dennoch entschied er, dass es so nicht weitergehen könnte. Er lernte aus seinem Fehler und ging fortan nur mit einem einfachen weißen Leinenhemd und seinen schwarzen Hosen bekleidet zum Läuten, krempelte die Ärmel hoch und legte sich ins Zeug. So auch heute. Auf dem Weg durch das leere Kirchenschiff halten die Schritte seiner harten Sohlen von den Wänden wieder.

Das Licht der tief stehenden Abendsonne fiel durch das weit offenstehende Portal und tauchte den Raum in ein orangerotes Licht, als stünde die Kirche in Flammen. Das Farbenspiel beeindruckte ihn und er entschied, das Ankleiden ein wenig hinauszuschieben, um sich den Sonnenuntergang anzusehen.

Auf dem ummauerten Platz vor der Kirchentür stellte er sich aufrecht hin, genoss die Wärme der Sonnenstrahlen auf seiner Haut und beschattete seine Augen mit einer Hand gegen das grelle Licht. Oh, Herr, betete er, danke, dass du täglich die Sonne aufgehen lässt, um die Schatten der Nacht zu vertreiben. Ich bitte dich, vertreibe auch die Schatten auf meiner Seele.

Beeindruckend schnell wanderte der feurige Ball in Richtung des Bergs auf der gegenüberliegenden Seite des Tals. Je mehr der hellen Scheibe von dem scharfen Grat abgeschnitten wurde, desto länger und tiefer wurden die Schatten. Und als das Himmelslicht ganz verschwunden war, wurde Bernhard in pechschwarze Dunkelheit gehüllt.

Als er sich daraufhin wieder dem offenen Portal zuwandte, das ihn wie ein zahnloses Maul angähnte, empfand er die Schwärze und Leere dahinter bedrückender als jemals zuvor. Mit dem letzten kümmerlichen Rest seiner Hoffnung schaute er rundum, ob sich von irgendwo ein Wesen näherte. Wenn es schon kein Mensch sein sollte, vielleicht würde ihn dann zumindest ein Hund, eine Ziege oder ein kleiner Vogel besuchen.

Doch nirgends zeigte sich eine Bewegung.

„Wenn doch nur jemand käme!“, schrie er und reckte die Hände gen Himmel, „Ich würde jeden einlassen und aus vollem Herzen in meiner Kirche willkommen heißen!“

Dann schleppte er sich mit hängenden Schultern ins Gebäude.

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