Vorwürfe

"Wie stellst Du Dir das jetzt vor, nach dieser Vergewaltigung?" fragte sie mich.

"Vergewaltigung?" Ich war verblüfft. "Aber das war doch keine ..."

"Wie würdest Du es denn sonst nennen?" sie schien plötzlich außer sich: "Tom liegt hier, gefesselt, Augen verbunden, nackt. Kann sich nicht wehren und Du vergehst Dich an ihm? Was meinst Du, wie das ein Richter nennen würde?"

Richter? Vergewaltigung und ich die Angeklagte? Ich fühlte mich auf einmal in die Ecke gedrängt und auch wenn mir Ihre Argumentation einleuchtete, fühlte ich mich doch nicht als Verbrecherin. Er hätte doch auch was sagen können, oder? Blut schoss mir ins Gesicht, ich fing an zu schwitzen, wollte im Boden versinken vor Scham. Aber Claudia fuhr fort:

"Hast Du wenigstens verhütet?"

"Ich nehme seit ein paar Monaten die Pille." Ha, das stimmte sogar. Ein bisschen Oberwasser.

"Und was verhütet die Pille?" fragte sie scharf.

"Na Schwangerschaften." Ist doch klar. Ich war wieder leicht verunsichert

"Und was ist mit Krankheiten? Aids? Tripper? Syphillis? Chlamydien?"

Plötzlich schossen mir die Tränen in die Augen, ich fühlte mich elend wie selten zuvor, wie ein kleines Mädchen, das Dummheiten gemacht hat und erstmals merkt, dass es diese Dummheiten nicht ungeschehen machen konnte und mit Konsequenzen zu rechnen hatte. Ich war eine Vergewaltigerin und habe mich womöglich mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt, die mich sogar umbringen konnte. Was hatte ich getan?

Ich stand da und heulte einfach, unfähig, mich zu rühren oder wegzulaufen, ich traute mich nicht mal, mir die Tränen aus den Augen zu wischen.