Isidia erlebt eine böse Überraschung

Etwas mehr als eine Stunde später stand Isidia mit pochendem Herzen vor Fürst Adalmar, der soeben begleitet von Fürstin Gertyn in seinem Regentenstuhl Platz genommen hatte. Irritiert schaute Isidia sich noch einmal um: Wo waren all die Höflinge, all die Gäste, und all die Diener, um Zeuge ihrer Adoption zu werden? Außer ihr, dem Fürstenehepaar waren sonst nur ihre drei Brüder, zwei Leibdiener des Fürsten, mehrere Wachen und zwei Rechtsgelehrte zugegen. Schmollend verzog Isidia ihren süßen Mund. So hatte sie sich das aber nicht vorgestellt.

Mit einem fürstlichen Räuspern zog ihr Pflegevater die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich.

"Wir haben uns heute hier versammelt, weil Prinzessin Isidia heute ihre nach den Gesetzen von Kel Shazar gültige Volljährigkeit erreicht hat."

Die beiden Rechtsgelehrten nickten zustimmend.

"Meine Gemahlin und ich, haben Isidia im Alter von fünf Jahren als unsere Pflegetochter aufgenommen, und sie erzogen, als wäre sie unser eigenes Kind. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, um Isidia als rechtmäßige Tochter des Hauses zu adoptieren, damit sie ihren Platz in der Nachfolgeregelung des Hauses Athestan einnehmen kann."

Erneut bekundeten die Gelehrten ihre Zustimmung mit einem leichten Nicken. Ein Kribbeln stahl sich über Isidias Haut. Bald, sehr bald, würde sie den ihr zustehenden Platz einnehmen! Verschmitzt lächelte sie Prinz Marco an. Sein eiskalter Blick trotzte ihrer Provokation.

"Isidia," hob Fürst Adalmar an die junge Frau gewandt an, "wir haben seit dem **** deiner Eltern, unseres loyalen Beraters Ingolf und seiner Gemahlin Aldiria, unser Bestes gegeben dir gute Eltern zu sein. Wir haben dir unsere Zuneigung und unser Wohlwollen - ja, sogar unsere Liebe - entgegen gebracht."

Isidia nickte innerlich lächelnd. Ihre Pflegeeltern hatten ihr immer alles durchgehen lassen. Dafür war sie ihnen wirklich dankbar.

"Doch..." mit einem Mal gewann die Stimme des Fürsten an Schärfe, "du hast unsere Güte mit Eigennutz, Schamlosigkeit und Bosheit entgolten."

Isidia keuchte auf als Adalmar aufsprang.

"Sieh dich an, wie du hier vor uns stehst, in diesem wichtigen Augenblick. Schamlos wie eine Hure hast du dich gekleidet, anstatt die traditionellen Gewänder zu tragen."

"Vater, ich..."

"Schweig!" gebot Fürst Adalmar herrisch. "Genauso schamlos hast du deine Macht über diesen Haushalt ausgenutzt. Glaubst du Fürstin Gertyn und ich seien blind, wie du deine Stellung ausgenutzt hast? Die vielen Diener, die wegen dir in Schererein geraten sind. Die vielen blauen Flecken, Schrammen und Verletzungen, die sich Adalgon und Gerimar geholt haben, weil du sie zu einer Torheit angestachelt hast. Glaubst du wirklich, wir hätten das all die Jahre nicht bemerkt?"

"V-vater, ihr seht..." stammelte Isidia entsetzt.

"Hüte deine Zunge, Isidia, oder willst du uns auch jetzt noch mit deinen süßen Lügen blenden?" Adalmar sah wie der Gott der Gerechtigkeit auf seinen Zögling herab. "Genauso wie die vielen jungen Diener, die von deinem Charme und deiner Schönheit geblendet, sich dir in deinen Gemächern hingaben?"

"Ich h-habe nie..." rief Isidia bestürzt.

"Schweig! Du Flittchen!" Adalmar gewaltige Stimme erfüllte den Saal mit dem Klang seines Zorns. "Wir haben genug von deinen Lügen! Und wir werden dich NICHT adoptieren. Ab sofort, ab diesem Augenblick, hast du keine Rechte mehr in diesem Haus. Hast du kein Besitztum mehr in diesem Haus. Hast du keine Freunde und Beschützer mehr in diesem Haus. Du hast deine Chance gehabt. Du hast sie verspielt!"

Isidia brach schluchzend auf dem Boden zusammen.

"Und nun hinaus mit dieser Hure. Ich kann sie nicht mehr sehen!"

"NEINNNNNNNNNN!" schrie Isidia entsetzt. "Vater...!!!"

Doch Fürst Adalmar wandte ihr - ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen - den Rücken zu und verließ in Begleitung seiner Gemahlin den Saal.