Marianne ist noch wach und wartet auf mich

Marianne ist noch wach, als ich mich leise zu ihr ins Bett lege. „Du hast dich gar nicht mit einem Geschäftsfreund getroffen“, empfängt mich Marianne mit einer Frage, die eher wie eine Feststellung klingt. „Nein, das habe ich nicht“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Genauso wenig wie du dich mit deinen Schulfreundinnen getroffen hast.“ Marianne schweigt einen Augenblick lang. „Warst du mit einer Frau zusammen?“ fragt sie dann etwas zögernd. „Ja“, antworte ich einfach nur. „Das ist jetzt aber eine ganz schön peinliche Situation“, meint sie dann nach einer erneuten Pause. „Ja“, antworte ich wieder nur kurz angebunden und füge ein hartes, bitteres Lachen hinzu.

Marianne antwortet zunächst nichts. Dann schlüpft sie jedoch zu mir unter die Zudecke und schmiegt sich ein wenig zögernd an mich, als ob sie damit rechnen würde, wieder von mir weggestoßen zu werden. Doch zu meiner eigenen Überraschung lege ich meinen Arm um meine Frau. „Als junges Mädchen bin ich in Achim verliebt gewesen“, beginnt Marianne leise zu erzählen. „Achim hingegen wollte nur mit mir schlafen, was ich damals nicht zugelassen habe. Ich habe mich damals für etwas ganz Besonderes gehalten, und so sehr es mir auch leid getan hat, ich wollte nicht bloß eins von Achim seinen vielen Betthäschen sein.“

Als ich letzte Nacht dann bei Achim war“, fährt Marianne fort, „kam plötzlich seine Freundin mit ihrem gemeinsamen Baby im Arm unerwartet früh von einer Reise zurück und hat uns zusammen im Bett überrascht. Es gab einen heftigen Streit, bei dem seine Freundin mich eine Schlampe und Hure genannt hat und Achim erwidert hat, dass ich ihm doch überhaupt nichts bedeuten würde. Ich fühle mich nun so mies, weil ich vermutlich dadurch ihre Partnerschaft zerstört habe, wie ich auch meine eigene Ehe leichtsinnig aufs Spiel gesetzt habe“, fährt sie betrübt fort und reibt ihr plötzlich tränennasses Gesicht an meiner Wange.

„Dabei liebe ich dich doch und will dich nicht verlieren“, schluchzt sie mit einem mal heftig. „Das musst du mir glauben. Ich will nicht, dass wir uns scheiden lassen.“ Ich hole tief Luft. Jetzt muss ich die Entscheidung treffen, vor der ich mich gefürchtet habe. „Auch ich habe einen Fehler gemacht, weil ich wütend auf dich war“, entgegne ich schließlich und ziehe Marianne tröstend an mich. „Ich kann ihn nicht mehr ungeschehen machen, ich kann nur versuchen, alles in meiner Macht stehende zu versuchen, dass wir doch irgendwie wieder zueinander finden, wenn unsere Ehe noch eine Chance haben soll …“