Erkennen und Erinnern

Wie auch am Vorabend lief der Betrieb nur schleichend an. Caroline wunderte sich nicht mehr darüber und flirtete immer wieder unter Hakans mürrischen Blicken mit Tom. Optisch lag er auf jeden Fall in ihrem Beuteschema und insgeheim fragte sie sich, was morgen früh nach Dienstschluss wohl noch gehen würde. Hinter dem Tresen stehend beobachtete sie Gina, die wieder ihre Runde zwischen den Tischen drehte, um abzuräumen. Interessiert verfolgte sie, wie ihre Kollegin scheinbar von einem Pärchen in ein Gespräch verwickelt wurde. Konzentriert musterte sie die Frau und versuchte sie irgendwie einzuordnen. Sie war sich sicher, dass sie sie kannte. Irgendwo waren sie sich schon einmal begegnet. Es wurmte sie, dass sie nicht darauf kam und wunderte sich, dass Gina plötzlich auf sie zeigte und zurück zur Bar kam. Irgendwie war ihr unwohl dabei, was die beiden wohl wollten, als sie Gina langsam folgten. Diese kam schnurstracks hinter die Bar und beendete ihre Grübelei, warum sie ihr bekannt vorkam.

"Die sind von der Kripo. Es geht irgendwie nochmal um gestern", sagte Gina mit erstem Blick, den sie nicht einordnen konnte. Gleichzeitig fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, woher sie sie kannte. Sie hatte sie vor einiger Zeit zu einer Einbruchserie interviewt. Aber was wollte sie hier? Und von ihr? Mit ungutem Gefühl trocknete sie sich die Hände an einem Handtuch ab und trat hinter dem Tresen hervor zu den beiden.

Die Frau stellte sich kurz als Kommissarin Fiedler mit ihrem Kollegen Kommissar König von der Kripo vor und beide zeigten ihr routinemäßig ihre Ausweise. Caroline entging der bohrende, sie regelrecht fixierende Blick der Kommissarin nicht. Es schien, als würde sie genauso überlegen, woher sie sich kannten. Sie befragten sie, ob sie sich noch an den Fast-Zusammenbruch der Brünetten vom vorherigen Abend erinnern konnte und ob ihr sonst noch etwas aufgefallen war. Auch wenn sie nichts dazu beitragen konnte, da sie ja in dem Chaos wirklich nichts gesehen hatte, konnte sie nicht widerstehen, nachzufragen.

"Warum? Was ist denn passiert?" So wie sie die Frage gestellt hatte, ärgerte sie sich bereits über sich selbst. Ihre Neugier hatte wieder einmal gewonnen. Während des Gesprächs hatte sie die ganze Zeit versucht, es irgendwie nur hinter sich zu bringen, um nicht erkannt zu werden.

"Wir ermitteln wegen des Verdachts auf einen sexuellen Übergriff unter Verwendung von Betäubungsmitteln. Sagen Sie, irgendwie kommen sie mir bekannt vor? Kennen wir uns nicht von irgendwo her?"

Auch wenn die Antwort sie nicht überraschte, war es jetzt genau die Frage gewesen, vor der sie sich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Mit gespieltem Lächeln sagte sie schulterzuckend "Ich wüsste nicht woher?", während sie versuchte dem prüfenden Blick der Kommissarin standzuhalten. Ihre innere Anspannung wurde immer unerträglicher und sie hielt es für das Beste, das Ganze jetzt zu beenden. "Also ich muss dann mal wieder", sagte sie und hoffte zugleich, dass die beiden sich damit zufriedengeben würden.

"Ok. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie uns bitte an. Hier ist eine Karte." Wie selbstverständlich nahm Caroline die Karte entgegen und sah kurz auf die Kontaktdaten. Karin Fiedler. Genau, dachte sie sich, während die Erinnerungen an das Interview mit ihr wieder da waren.

"Alles klar, mach ich!" Damit ließ sie die beiden stehen und war froh, es endlich überstanden zu haben. Ihnen jetzt den Rücken zugewandt, atmete sie erleichtert aus. Sie hatte es geschafft, zumindest für den Moment, dachte sie sich.

"He, alles klar? Was wollten die denn?" empfing sie Tom hinter dem Tresen mit besorgtem Blick.

"Ach, nur wegen der von gestern. Ich brauch jetzt einen Kaffee", wiegelte sie ab, schnappte sich ihre Zigaretten und ließ die Kollegen hinter dem Tresen einfach stehen. Zu viel ging ihr gerade durch den Kopf.