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Chapter 7
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Die Erscheinung
Ängstlich und gleichzeitig fasziniert spähte ich durch das magische Fenster in dem nachtschwarzen Beschwörungskreis. Um die unscharfen Umrisse besser sehen zu können, kniff ich die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und beugte mich nach vorne. Je höher und kraftvoller Naneschas Stimme erklang, desto schärfer und deutlicher wurde die Vision.
Ich konnte Gras erkennen, das sich in einer sanften Brise wiegte. Dicke Baumstämme mit rauer Borke und dichten dunkelgrünen Kronen umfassten die Lichtung unter dem klaren Sternenhimmel, auf die ich blickte. Plötzlich trat etwas hinter einem besonders mächtigen Stamm hervor.
Das Wesen war groß und ging aufrecht wie ein Mensch. Langes goldenes Haar wallte über sein Haupt und fiel über die breiten Schultern. Die ebenmäßigen Züge seiner Miene wirkten sanft und wild zugleich, markant wie die eines Kriegers, jedoch gemildert durch eine überlagerte Femininität. Sein Körper war kräftig und wohlgestaltet, etwas größer und breiter als derjenige von uns beiden jungen Frauen, aber völlig unbekleidet. Man sah fast keine Körperbehaarung an ihm, nur unterhalb seiner Körpermitte wuchs ein heller, nahezu durchsichtiger Flaum, aus dem ein fleischiger Schlauch hing, so lang wie zwei meiner Handspannen und dicker als zwei meiner Finger. Dahinter baumelte ein faltiger Hautsack, der zwei große Kugeln zu enthalten schien.
Ich konnte mir keinen rechten Reim auf die Erscheinung machen. Hatte ich doch noch nie einen nackten Mann gesehen. Ich schloss aber aus meinen Beobachtungen und vagen Vermutungen, dass es sich bei dem Wesen um einen solchen handeln musste, auch wenn die Proportionen der Anhängsel zwischen seinen Beinen auf mich etwas übertrieben wirkten. Aber angesichts meiner mangelnden Erfahrung mit dem männlichen Körperbau wollte ich mir kein endgültiges Urteil anmaßen. Allerdings beschloss ich spontan, die Zucht von Nutztieren auf meinem Landgut nicht mehr nur ausschließlich meinen Knechten zu überlassen, um mir selbst gewisse einschlägige Erkenntnisse anzueignen.
Als er sein Gesicht in meine Richtung wandte, sah ich zum ersten Mal in seine goldenen, pupillenlosen Augen. Der Eindruck war so fremdartig und verstörend, dass ich unwillkürlich und impulsiv die Luft ausstieß, die ich, ohne es zu bemerken, angehalten hatte. Die mir am nächsten stehende Kerze flackerte und das Bild vor mir kräuselte sich wie eine Wasseroberfläche, über die eine kräftige Bö wehte. Erschrocken gab ich einen quiekenden Laut von mir. Nanescha warf mir einen warnenden Blick zu, doch es war zu spät. Das unbekannte Wesen sah in meine Richtung und in seinen spähenden, fremden Augen spiegelten sich Erkennen und Überraschung. Und noch etwas war darin zu lesen: Ärger, Wut?
Ich reimte mir zusammen, dass wir ihn durch das beschworene Fenster ausgespäht hatten, ohne dass er vorgewarnt war oder eingewilligt hatte. Durch meine Ungeschicklichkeit hatte ich unsere Heimlichkeit aufgehoben und nun wusste er, dass er nicht unbeobachtet war. Wenn ich mir vorstellte, in seiner Lage zu sein, könnte ich durchaus verstehen, dass er verärgert war.
Er machte auf seiner sternenbeschienenen Lichtung einen entschlossenen Schritt in meine Richtung. War das Fenster womöglich auch eine Tür, durch die er hindurchtreten und uns zur Rechenschaft ziehen konnte? Nein, niemals könnte ich zugeben, so eklatant gegen Sitte und Anstand verstoßen zu haben, indem ich schamlos einen nackten Mann betrachtete.
Panik ergriff mich, ich warf mich zurück und strampelte mit den Beinen, um möglichst schnell von dem bedrohlichen Bild fort zu kommen. Völlig undamenhaft rutschte ich auf meinem Allerwertesten rückwärts über den Boden, bis ich an die Wand stieß. Dabei kickte ich eines der Schälchen um und dessen Inhalt ergoss ich auf den Boden und über die Kreidestriche. Damit war der Bann gebrochen. Der Mann konnte uns nun offenbar genau so deutlich sehen, wie wir zuvor ihn. Er schüttelte die geballte Faust in unsere Richtung und schrie uns mit wutverzerrter Fratze an. Ich konnte kein Wort seiner Tirade verstehen, aber der Ton und die Lautstärke ließen keinen Zweifel an deren Bedeutung aufkommen.
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Freiin Cornelia
Märchen, Spukgeschichten und okkulte Bücher, die mir eine Großtante hinterlassen hat
Freiin Cornelia wird mit achtzehn Jahren plötzlich und unvorbereitet Herrin über ein kleines Familiengut. Ihr Zeitvertreib beschränkt sich im Wesentlichen auf das Vergnügen, Märchen, Spukgeschichten und okkulte Bücher zu lesen, ohne das wahre Leben kennen zu lernen. So schwirrt es in ihrem Kopf von Hexen, Zauberern, weißen Rittern, Elfen und höllischen Dämonen. Andernfalls wäre es vermutlich nicht zu dieser Geschichte gekommen.
Updated on Aug 19, 2023
Created on Aug 3, 2023
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