Der Test

Aber an wem sollte ich das testen?

An Simon? Nein, ich war froh, dass er mich gerade in Ruhe ließ. Und wenn ich mich irrte, würde er mich nur wieder ärgern oder verprügeln.

Es gab nur eine andere Möglichkeit. Da alle anderen unterwegs waren, blieb nur meine Mutter übrig.

Ich ging runter ins Wohnzimmer, wo sich meine Mutter normalerweise vor der Arbeit aufhielt.

Tatsächlich saß sie auf der Couch und las ein Buch. Sie hatte noch ein paar Minuten, bis sie zu ihrer Schicht im Krankenhaus losmusste.

Nervös setzte ich mich auf die andere Couch gegenüber von ihr. Ich druckste rum, um den Augenblick hinauszuzögern. Die ganze Vorstellung war so lächerlich… trotzdem wollte ich es testen.

Nachdem ich eine Zeit lang tatenlos rumgesessen hatte, sah meine Mutter von ihrem Buch auf und fragte mich, ob sie mir helfen könne.

Was sollte ich tun…? Da fiel mir etwas ein.

"Würdest du mir 50€ für ein neues Videospiel geben?"

Meine Mutter seufzte und verdrehte die Augen.

"Nein. Wenn du dir Videospiele kaufen möchtest, spar dein Taschengeld oder such dir einen Job."

Mit der Antwort hatte ich gerechnet. Jetzt kam der eigentliche Test.

"Gib mir bitte 50€ für ein Videospiel."
"Ich hab doch gerade 'Nein' gesagt", sagte meine Mutter, stand dann aber auf einmal auf und lief zu ihrem Geldbeutel, "Was zum…?"

Sie öffnete das Fach für die Geldscheine und drückte mir einen 50€-Schein in die Hand.

Ich riss die Augen weit auf. Es hatte geklappt. Es hatte tatsächlich geklappt.

"Wa… was…?", stotterte meine Mutter und sah sich ängstlich auf ihre Hände.

Verdammt!

"Äh…", stammelte ich, dann fiel mir ein, was ich tun musste, "Vergiss, dass ich dich um Geld gebeten habe und, dass du es mir gegeben hast."

Meine Mutter blinzelte kurz, dann war wieder alles in Ordnung.

"Entschuldige, was wolltest du, Johannes?", fragte sie mich fürsorglich.
"Alles okay. Ich wollte mich nur ein bisschen zu dir setzen," log ich.

Sie lächelte mich glücklich an.

"Oh, das ist aber lieb von dir. Aber willst du nicht lieber was mit deinen Freunden machen? In deinem Alter hätte ich mir Schöneres vorstellen können als mit meinen Eltern abzuhängen."
"Ne, ist schon okay."

Meine Mutter setzte sich wieder hin und las weiter in ihrem Buch. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und tat so, als würde ich es benutzen. Ich musste nachdenken.

Nachdem ich eine Weile sinnlos rumgetippt hatte, fiel mir ein, was ich als nächstes machen konnte. Ich hatte eine Idee für einen Befehl.

Aber um zu vermeiden, dass ich mich aus Versehen falsch ausdrückte, öffnete ich die Notizen App und schrieb ihn zunächst einmal auf. Als ich mit der Formulierung zufrieden war, räusperte ich mich.

Meine Mutter schaute auf.

"Mama, wenn ich dir einen Befehl gebe, wirst du vergessen, dass ich ihn dir gegeben habe und stattdessen glauben, er wäre dein eigener Wunsch oder deine eigene Idee gewesen. Du wirst deine Handlungen nicht hinterfragen und nichts an den Befehlen, die ich dir oder anderen gebe, wird dir seltsam vorkommen."

Meine Mutter schaute mich fragend an. Hatte es geklappt?

"Ist was, Johannes?"
"Steh auf, hüpf einmal und dann setz dich wieder hin."

Sie stand auf, hüpfte wie befohlen einmal in die Luft und setzte sich.

"Johannes, ist alles okay? Du schaust mich so komisch an."

Es hatte geklappt. Perfekt!

"Ne, alles okay."
"Gut, ich muss jetzt nämlich langsam los."

Sie legte das Buch auf den Wohnzimmertisch und stand auf, um sich für die Arbeit fertigzumachen.

Ich überlegte für eine Sekunde. Dann startete ich meinen letzten Test.