Vor dem Nichts

Gemeinsam in der Einsamkeit

Chapter 1 by SioDerSio SioDerSio

Die glänzende Eisenstange surrte, als David sie aus der angenähten Befestigung seines Wanderrucksacks zog. Langsam ging die Sonne unter über den leeren Bauwerken der Stadt. Er rollte seinen Schlafsack aus und ließ sich auf dem Dach des gewaltigen Miethauses nieder. Die sommerlich warme Nacht erlaubte es ihm, draußen zu schlafen, um das Geschehen in den Straßen zu beobachten. Und möglicherweise liebte er es auch einfach, in die Sterne zu schauen und den Wind auf der Haut zu spüren.

Es verirrten sich nicht mehr viele Menschen hierher. Die meisten waren geflohen, denn die Stadt war nicht mehr sicher, noch unsicherer als jemals zuvor. Es gab wohl einige gemeinschaftliche Communitys, die sich als Reaktion auf den Zusammenbruch auf dem Land gebildet hatten, und andere Menschen waren in plündernde Banden zusammengekommen. Er selbst hatte sich davor gehütet, mit Menschen zu interagieren, wenn es nicht sein musste. Hin und wieder hatte er etwas tauschen müssen, doch sein Bauchgefühl warnte ihn vom Anfang an davor, jemandem noch zu vertrauen.

David hob den Rucksack mit seinem Gepäck von den Schultern und platzierte ihn neben seinem Schlafsack. Die Stange, die ihm als einzige Waffe und Werkzeug diente, behielt er in der Hand. Er wollte jederzeit bereit sein, sich verteidigen zu können. Er zog sich die Jacke aus, kroch in den Schlafsack und kuschelte sich soweit wie möglich in den Plastikstoff, um in den Himmel zu starren. Noch nie hatte er so viel von der Galaxie sehen können, die ihn umgab, wie in den letzten Monaten, in denen das künstliche Licht ausgeschaltet worden war. Mit einer inneren Anspannung, die ihn jede Sekunde seines Tages umgab, fielen ihm die müden Augen zu.


Sein Erwachen war fast so sanft wie in den übrigen Nächten, aber nur fast. Der obere Teil der Sonne warf ihr Licht durch die Häuserschluchten und der Wind blies in sein Ohr- und mit dem Wind wurden auch weitere Geräusche zu ihm getragen. Schnelle Schritte, laute Stimmen. Sofort war David im Notfall-Zustand, und er sprang auf hievte sich hoch und robbte zum Rand des Daches.

Eine junge Frau stand mitten auf der Straße, einen Ziegelstein erhoben. Sie trug einen prall gefüllten Rucksack und sie schnaufte, während der Schweiß ihr in Strömen über die Stirn floss. Sie stolperte rückwärts. Aus der Richtung ihres Blickfeldes traten zwei Männer hervor, beide ebenfalls mit Rucksäcken, aber noch nicht so sehr außer Puste wie sie. Sie waren unbewaffnet, doch schritten sie unbeirrt auf sie zu. "Komm, Kleine! Du willst es doch auch!", rief der eine, und der zweite wieherte vor Begeisterung. "Sie hat schon lange keinen Mann mehr gehabt, man kann es ihr doch ganz genau ansehen, wie gierig sie nach uns ist!"

Die Frau schluchzte auf, drehte sich um und schleppte sich weg, weiter in Richtung seines Postens. Sie versuchte, den Stein auf die Männer zu werfen, doch er flog nicht ansatzweise weit genug, um ihnen gefährlich zu werden.

David hatte genug gesehen. Er ließ sein Gepäck und sein Schlagzeug links liegen, wirbelte die Stange im Kreis und sprintete durch die unverschlossene Dachtür, das Treppenhaus hinab. Fünfter Stock. Vierter Stock. Er räusperte sich, um seine Atemwege nach der Nacht zu befreien. Dritter, zweiter, erster Stock. David trat die Haupttür auf.

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