Undercover

Zentrum für Heilung und Erwachen – Lumen Astra

Chapter 1 by SexGirl SexGirl

Lisa hatte an diesem Morgen keinen Wecker gebraucht. Noch bevor der erste Schimmer von Licht den Horizont berührte, war sie wach gewesen – aufgewühlt, ohne erkennbaren Anlass. Es war keine greifbare Unruhe, eher ein unterschwelliges Vibrieren, als hätte ihr Körper etwas gespürt, das ihr Verstand noch nicht fassen konnte.

Jetzt saß sie am kleinen, weiß lackierten Küchentisch ihrer Wohnung, die Hände um eine dampfende Tasse Tee gelegt. Der Dampf stieg träge auf, als wolle auch er noch nicht ganz in diesen Tag starten. Draußen lag ein stilles Grau über den Dächern, das Licht weich und ohne Kontur. Die Stadt schien in diesem Moment noch zu schlafen, und Lisa fühlte sich wie in einer Zwischenwelt – nicht mehr Nacht, aber auch noch kein richtiger Morgen.

Ihre Gedanken flirrten unruhig, sprangen von einem Thema zum nächsten, ohne sich festzusetzen: die Prüfungen in der kommenden Woche, das schlechte Gewissen wegen der vernachlässigten Laufstrecke, die Uniformjacke, die nach kaltem Rauch roch und längst in die Reinigung gehört hätte. Alles alltäglich. Alles irgendwie belanglos. Es war, als würde sie auf etwas warten – sie wusste nur nicht, worauf.

Dann vibrierte ihr Handy auf dem Tisch. Das Geräusch wirkte in der Stille des Raumes fast unangemessen laut. Sie griff danach, ein kurzer Blick aufs Display.

Nachricht von: H. Reitz

Kommen Sie bitte heute um 9:00 Uhr ins Präsidium. Persönlich.

Mehr stand da nicht. Keine Höflichkeitsfloskel, keine Erklärung. Kurz. Sachlich.

Lisa runzelte die Stirn. Hauptkommissar Reitz war nicht für Umschweife bekannt, aber eine Nachricht wie diese – das war selten. Und persönlich?

Später, als sie das Büro betrat, saß er schon hinter seinem Schreibtisch, den Blick fest auf sie gerichtet. Ohne ein Wort reichte er ihr eine Akte. Der Umschlag war unscheinbar – hellgrau, ohne große Kennzeichnung – aber dick. Schwer. Bedeutungsvoll.

"Setzen Sie sich", sagte er, als sie noch in der Tür stand. "Das hier ist nicht Teil Ihrer Ausbildung. Es ist ein echter Einsatz."

Lisa setzte sich langsam, die Akte in den Händen. Ihr Blick wanderte zu seinem Gesicht, suchte nach Anzeichen, was das hier sein könnte. Doch Reitz' Miene war undurchdringlich. Kein Anflug von Strenge, aber auch kein Mitgefühl. Nur Ernst.

Sie hatte mit vielem gerechnet. Vielleicht einem Gespräch über ihre letzte Einsatzbeobachtung, einer Kritik an ihrer Haltung beim Schießtraining – zu unruhig, zu angespannt. Oder vielleicht war es doch etwas anderes gewesen, das sie übersehen hatte.

Aber das hier?

Sie schlug die Akte vorsichtig auf, überflog das Deckblatt, während sie fragte: "Was genau ist das?"

Reitz antwortete nicht sofort. Doch der Titel auf dem ersten Blatt genügte, um ihr eine Gänsehaut über den Rücken zu jagen.

Lumen Astra – Zentrum für Heilung und Erwachen

Reitz verschränkte die Arme vor der Brust, sein Blick blieb kalt, analytisch. "Eine sogenannte spirituelle Gemeinschaft", begann er, als hätte er das Wort selbst nur mit spitzen Fingern angefasst. "Yoga, Klangheilung, Rituale. Auf den ersten Blick wirkt alles harmlos – fast idyllisch. Doch uns liegen vage, aber alarmierende Hinweise vor: Hinweise auf gehirnwäsche. Es sind keine handfesten Beweise. Noch nicht. Aber immer wieder verschwinden Spuren. Menschen brechen Kontakte ab, verändern sich rapide, verlieren ihre Sprache, ihre alten Identitäten. Wie ausgelöscht. Wie neu programmiert."

Lisa senkte den Blick auf das Foto, das zwischen den Aktenblättern lag. Darauf: eine Gruppe junger Menschen, meist Frauen. Sie lachten, liefen barfuß über eine sonnenbeschienene Wiese. Auf den ersten Blick ein Bild voller Leichtigkeit – und doch... Die Farben wirkten übersteuert, zu grell, wie durch einen Filter gezogen. Und die Gesichter? Ihre Lächeln waren starr, fast maskenhaft. Die Augen: leer, wie ausgewaschen von innen.

"Warum ich?" Lisas Stimme klang ruhig, aber innerlich spürte sie das Aufziehen eines kalten Schattens.

Reitz sah sie an, lange, dann antwortete er: "Sie sind ****. Intelligent. Empathisch. Sie wirken glaubwürdig. Und..." – er zögerte, als würde er die nächsten Worte abwägen – "Sie sind noch nicht so geformt vom System, wie wir anderen. Sie haben Instinkt. Und sie haben noch ein Stück Unversehrtheit, das man nicht vortäuschen kann. Genau das brauchen wir."

Was dann folgte, waren zwei dichte, fordernde Tage, in denen jede Stunde zählte. Lisa wurde isoliert untergebracht – ein schmales Gästezimmer über dem Nebentrakt der Dienststelle, fern von den anderen Auszubildenden, fern vom Alltag. Ein spezialisiertes Team arbeitete mit ihr, formte aus ihr eine glaubwürdige neue Identität.

Sie wurde Lisa B., 23 Jahre alt, Studentin der Kulturwissenschaften, auf Sinnsuche. Zerrüttetes Verhältnis zu den Eltern, keine stabilen Beziehungen, depressive Phasen – aber funktional. Empfänglich für emotionale Wärme, für Zugehörigkeit, für eine vermeintlich höhere Wahrheit. Alles sorgfältig dosiert – glaubhaft, aber nicht übertrieben. Echtheit im Detail.

Ein Psychologe führte intensive Gespräche mit ihr, testete Grenzen, Reaktionen, Trigger. Ein Taktiktrainer übte mit ihr das richtige Verhalten in kritischen Situationen – Körpersprache, Rückzugstechniken, Ablenkungsmanöver. Eine Linguistin arbeitete an ihrer Ausdrucksweise: keine Konfrontation, keine Bewertung. Stattdessen Fragen stellen, Interesse zeigen, Unklarheiten stehen lassen. Nicht urteilen – beobachten.

Sie lernte das Vokabular der Szene: Begriffe wie "Transformation", "Erweckung", "Energiezentren", "Kollektives Feld", "Ritualräume". Es waren Wörter, die weich klangen, fast poetisch – und doch einen doppelten Boden hatten.

Einmal, spät in der zweiten Nacht, während einer leisen Pause zwischen zwei Übungseinheiten, fragte sie: "Und wenn es zu weit geht?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch.

Der Psychologe sah sie lange an. Dann sagte er nur: "Dann hollen wir, sie da raus inerhalb von 30 Minuten solange müssen sie sich selbst retten."

Am dritten Morgen verließ Lisa das Gästezimmer noch vor Sonnenaufgang. Der Himmel war bleigrau, ein fahles Licht lag über der Stadt, und draußen roch es nach nassem Beton und nassem Laub. Die feuchte Luft schien auf der Haut zu kleben, und der Asphalt glänzte vom nächtlichen Regen wie frisch lackiert. Der alte Opel Corsa, den man ihr zugeteilt hatte, wartete unauffällig am Straßenrand, von einem feinen Schleier aus Nebel umhüllt. Er war verbeult, die Scheiben etwas blind, aber der Tank war voll. Kein Blickfang – und genau das sollte er auch nicht sein.

Auf der Rückbank lagen die vorbereiteten Requisiten: eine Yogamatte mit leicht ausgefransten Kanten, ein loses Journal mit eingeklebten Zitaten aus spirituellen Büchern, sorgsam gealtert, ein paar dünne Decken in gedeckten Farben. Jedes Detail war geplant, nichts dem Zufall überlassen. Lisa trug helle, weiche Kleidung – Leinenhose, Kapuzenpullover in Eierschalenweiß. Ihr Gesicht war ungeschminkt, ihre Haut blass und ernst, die Haare zu einem lockeren Zopf gebunden. In ihrer Tasche: nur das Nötigste. Kein Handy. Kein Ausweis. Kein Dokument, das sie hätte verraten können. Kein Hinweis auf eine Identität, die irgendwo zur Polizei zurückführen könnte.

Sie verabschiedete sich nicht. Das war Teil des Plans – ein stilles Verschwinden. Niemand außer Reitz wusste, wohin sie fuhr. Und niemand sollte es je erfahren.

Als sie die Stadtgrenze hinter sich ließ, begann etwas in ihr sich zu lösen. Oder zu verdichten – sie konnte es nicht genau sagen. Der vertraute Druck in der Brust war nicht verschwunden, nur anders geworden. Nicht leichter, nicht schwerer – einfach... tiefer. Die Straßen wurden schmaler, die Häuser seltener. Felder zogen sich unter dem trüben Himmel in die Ferne, schluckten die Geräusche des Motors. Der Wald kroch näher an die Straße heran, als wollte er sie verschlucken. Der Übergang war deutlich zu spüren – als würde sie die Schwelle in eine andere Realität überschreiten.

Dann, nach fast zwei Stunden Fahrt, war es plötzlich da:

Ein handgemaltes Schild, moosbedeckt, das schief an zwei Pfosten zwischen dichtem Grün hing. In geschwungenen Buchstaben stand darauf:

Zentrum für Heilung und Erwachen – Lumen Astra

Die Farben waren leicht verblasst, doch die Schrift wirkte fast liebevoll gemalt, eingerahmt von Efeu und Farn. Lisa trat auf die Bremse. Das Auto kam mit einem leisen Knirschen zum Stehen.

Stille.

Ein letzter Moment zwischen dem Alten und dem Neuen. Noch konnte sie umdrehen. Noch war nichts entschieden. Aber sie wusste, dass es keinen Weg zurück gab. Nicht wirklich.

Sie atmete ein, lang und kontrolliert.

Dann bog sie ab.

Lisa saß auf dem niedrigen Kissen, die Hände locker auf den Knien, und blickte in das ruhige, freundliche Gesicht der Frau ihr gegenüber. Sanftes Licht fiel durch die bunten Glasfenster des Ritualraums, warf Muster auf die hölzerne Decke.

"Willkommen, Lisa", begann die Frau mit einer Stimme, die wie ein Flüstern wirkte, obwohl sie klar und warm war. "Du bist hier, weil dein Herz nach mehr verlangt – nach Heilung, nach Wahrheit, nach Verbindung. Das ist der erste Schritt auf deinem Weg zur Erweckung."

Lisa nickte langsam, versuchte, die Wärme in der Stimme aufzunehmen, ließ sich gleichzeitig nicht ganz auf das Gefühl ein, das ihr die Nackenhaare aufstellte.

"Manchmal", fuhr die Frau fort, "fühlt es sich an, als wären wir getrennt von dem, was wirklich zählt. Von unserer inneren Energie, von der Quelle, aus der alles Leben strömt. Hier bei Lumen Astra lernst du, diese Verbindung wiederzufinden. Nicht durch Worte allein, sondern durch das Erleben."

Lisa atmete tief ein. "Und wenn ich Fragen habe? Zweifel?"

Ein sanftes Lächeln umspielte die Lippen der Frau. "Fragen sind willkommen. Zweifel sind ein Geschenk. Sie führen uns näher zu uns selbst, wenn wir bereit sind, ehrlich zu sein. Hier wirst du nicht verurteilt, sondern eingeladen, Schritt für Schritt mehr von deinem wahren Selbst zu entdecken."

Lisa sah auf ihre Hände, die sich leicht verkrampften. "Was, wenn ich mich verliere?"

"Dann bist du bei uns sicher", antwortete die Frau mit ruhiger Bestimmtheit. "Denn Erweckung heißt auch, Schutz zu finden – in der Gemeinschaft, im Kollektiven Feld, das uns alle trägt."

Ein leichter Klang einer Klangschale füllte den Raum, und die Frau nickte behutsam. "Bist du bereit, Lisa?"

Lisa schluckte, die Fragen in ihr schwirrten laut und wild, aber sie wusste: Sie war hier – und der Weg hatte gerade erst begonnen.

die erste sasion

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