
Emilias neue Aufgabe
Eine etwas andere Betreuung
Chapter 1
by Meister U
Mein Name ist Emilia, ich bin dreiunddreißig Jahre alt und helfe anderen Menschen, ihre Sexualität zu entdecken und zu genießen. Das zumindest steht auf meiner Visitenkarte. Auf meiner Homepage. In den Bewertungen, die meine Klienten hinterlassen. "Frau Weber hat uns unsere Intimität zurückgegeben!", "Endlich verstanden, worum es wirklich geht." Die Worte glänzen dort wie polierte Schaufensterpuppen – makellos und völlig leer.
Heute Nachmittag sitzt mir wieder so ein Paar gegenüber. Sarah und Markus. Mitte Vierzig. Verheiratet seit fünfzehn Jahren. Die Luft zwischen ihnen ist dick wie Honig, der schlecht geworden ist. Sie sprechen nicht miteinander, sie sprechen übereinander. Zu mir. Sarahs Stimme ist ein scharfes Flüstern, jedes Wort ein kleiner Dolchstich Richtung Markus: "Er berührt mich nie mehr, richtig. Nur noch so... pflichtbewusst. Wie wenn man den Müll runterbringt." Markus starrt auf seine Schuhe, die Schultern hochgezogen, als erwarte er einen Schlag. "Ich versuche es doch. Aber sie... es ist nie richtig. Nichts ist je gut genug. Da lasse ich es lieber ganz."
Ich nicke, mache Notizen, die sinnlos sind. Ich kenne dieses Spiel. Ich kenne die nächsten Sätze, bevor sie gesprochen werden. Die Vorwürfe, die Rechtfertigungen, die tiefe, schmerzende Verzweiflung, die sich hinter all dem Zorn verbirgt. Meine Fragen kommen automatisch: "Wie war das denn früher, Markus? Was hat Ihnen da gefallen, Sarah?" Es sind die richtigen Fragen. Theoretisch. Praktisch prallen sie ab an der Mauer aus gegenseitigen Verletzungen, die sie über Jahre hochgezogen haben.
Ich sehe Sarah an. In ihren Augen blitzt etwas auf, das mich trifft wie ein Faustschlag: Hoffnung. Eine verzweifelte, flehende Hoffnung. Sie glaubt wirklich, dass ich ihnen helfen kann. Dass ich, Emilia Weber, mit meiner sauberen Frisur, meinem teuren, aber dezenten Kaschmir-Pullover und meiner ruhigen Stimme, der Schlüssel zu ihrem verlorenen Paradies bin. Diese Hoffnung ist unerträglich. Denn ich weiß es besser. Ich höre nur zu. Ich analysiere. Ich gebe Übungen mit auf den Weg – "Versuchen Sie diese Woche doch mal, sich nur zu berühren, ohne Erwartung an einen Orgasmus" –, die sie wahrscheinlich genauso wenig umsetzen werden wie das letzte Mal. Und das übernächste Mal.
Mein Lächeln fühlt sich an wie Gips, der auf meinem Gesicht aushärtet, während ich sie zur Tür begleite. "Bis nächste Woche. Denken Sie an die Übung." Die Tür fällt ins Schloss. Stille. Die Stille meiner Praxis ist eine eigene Art von Lärm. Ein Summen aus all den unerfüllten Sehnsüchten, den gebrochenen Versprechen, den schmerzhaften Geständnissen, die diese Wände absorbiert haben. Jahr für Jahr.
Ich sinke in meinen viel zu teuren Designerstuhl zurück, der mich nie wirklich bequem umschließt. Der Blick fällt auf das gerahmte Zertifikat an der Wand: "Emilia Weber, M.A., Zertifizierte Sexualtherapeutin". Ein teurer Witz. Ich, die Expertin für Lust und Verbindung, lebe in einer emotionalen und sexuellen Einöde, die so trostlos ist wie die Beziehung von Sarah und Markus. Meine eigenen Beziehungen? Eine Aneinanderreihung von Fehlstarts und schmerzhaften Abgängen. Zu viel Arbeit. Zu hohe Erwartungen. Oder einfach... das langsame Erkalten, das ich bei meinen Klienten so gut kenne. Und was den Sex angeht... richtig guten Sex? Der Moment, in dem alles verschwimmt, du dich verlierst und gleichzeitig ganz da bist, verbunden, glühend, lebendig? Das ist so lange her, dass es sich anfühlt wie eine Geschichte, die jemand anderes erzählt. Etwas aus einem Buch. Nicht aus meinem Leben.
Ich starre auf den leeren, makellosen Tisch zwischen den Therapiesesseln. Manchmal fühlt er sich an wie ein Operationstisch. Und ich bin die Chirurgin, die versucht, mit stumpfen Instrumenten Herzen zu nähen, die längst aufgehört haben zu schlagen. Die Frustration steigt in mir hoch, heiß und bitter. Ist das alles? Ist das mein Leben? Das ständige Anhören des Elends anderer, während mein eigenes still vor sich hin schmort? Die Maske der Expertise wird immer schwerer. Und ich frage mich, wie lange ich sie noch tragen kann, bevor sie mich erdrückt. Oder bevor jemand sieht, was wirklich dahinter ist: Leere.
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Ich sollte Lust heilen – doch meine eigene Sehnsucht erstickte in leeren Nächten. Ein mysteriöser Auftrag lockt mich hinter die Mauern eines verbotenen Schlosses... Denn hinter vergoldeten Gittern beginnt ein Spiel... wer wird hier zuerst die Kontrolle verlieren?
Updated on Jun 18, 2025
Created on Jun 18, 2025
by Meister U
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