Der Fotograf

Jakob wird vom schrillen Geräusch des Weckers viel zu früh geweckt. Er muss heute früh aufstehen, da er in den Morgenstunden sein erstes Shooting mit einem echten Menschen hat. Bisher hatten es nur Tiere oder Landschaften auf den Sensor seiner Sony-Kamera geschafft.

Die Kamera war sein ganzer Stolz - Jakob hatte sie vor ca. 6 Monaten online gebraucht erworben, und sie war ein echter Glücksgriff - quasi neu und unglaublich günstig. Eine Besonderheit hatte sie auch noch: sie war nicht wie üblich schwarz lackiert, sondern der Alu-Unibody der Cam war komplett blank, wie als ob jemand die Lackierung entfernt hatte. Er dachte sich nichts dabei, denn die Bilder, die die Kamera machte waren über jeden Zweifel erhaben.

Jakob steht auf und putzt sich die Zähne. Dabei geht er gedanklich das Shooting heute durch. Auch wenn es für ihn ein riesen Ding ist, ist es eigentlich ein lapidares Knipsen unter Freunden, eine Freundin möchte ein paar schöne Bilder von sich, um mal wieder in Social Media damit zu begeistern. Besagte Freundin, Hanna, hatte diese Bilder eigentlich nicht nötig, denn mit ihren langen braunen Haaren, der vollschlanken und trainierten Statur, den hohen Wangenknochen und den sinnlich geschlungenen Lippen war sie eine echte Schönheit. Sogar ein schlechtes Handy reicht aus damit sie mittlerweile 26.000 Follower hat.

Jakob schaut gefasst in den Spiegel. „Ich weiß, Hanna ist eine geile Sau, aber sie ist auch eine Freundin. Daher nicht so viel gaffen heute, sondern Blende, Verschlusszeit und Belichtung stehen heute für mich im Vordergrund“, sagt er zu sich.

Kamera, Objektive, Akkus, alles eingepackt für das Shooting. Es wird langsam Zeit. Er schluckt den kleinen Kloß in seinem Hals herunter und steigt ins Auto.