Widerstand

Die Orks lachten kehlig. Nachdem ihr Opfer keinen Ausweg mehr hatte und ihnen hilflos ausgeliefert war, hatten sie es nicht mehr eilig und verteilten sich in einem Halbkreis um Irina. Anscheinend wollten sie sich in Ruhe anschauen, was für einen Fang sie hier gemacht hatten.

Kurze grobe Bemerkungen in einer rauen, unverständlichen Sprache flogen zwischen ihnen hin und her und provozierten noch lauteres Gelächter. Irina konnte sich schon vorstellen, worüber sie redeten. Nein, einfach aufgeben wollte sie nicht. Nachdem sie den Sohn ihres Arbeitgebers in Sicherheit wusste, konnte sie die Pose der ängstlichen, unterwürfigen Wehrlosen aufgeben. Sie nahm ihren Mut zusammen, streckte ihren Rücken durch und funkelte die Plünderer aus zusammengekniffenen Augen wütend an.

Sie war außergewöhnlich groß für eine Frau ihres Volkes und stand nun auf Augenhöhe mit den Grünhäuten. Die höhnenden Kommentare wurden leiser. Manch einer der Umstehenden betrachtete sie mit beinahe so etwas wie Respekt.

Die Hoffnung, doch noch irgendwie aus dieser Klemme herauszukommen, zerstob wie Blätter im Wind, als hinter der Kette der Krieger eine weitere Gestalt auftauchte. Sie war in Felle gehüllt und überragte die anderen Orks um einen ganzen Kopf. In seiner Hand ließ der Hüne eine gewaltige Streitaxt locker pendeln, als sei sie nur ein kleines Beil, um Holzspäne zu hacken.

Er blaffte ein strenges Kommando und in dem Kreis um Irina öffnete sich eine Lücke. Sie war klug genug, diese nicht für einen Fluchtweg zu halten. Stattdessen stellte sie ihre Beine fest auf den Boden, richtete sich auf und blickte dem herankommenden Anführer trotzig entgegen. Eine Armlänge vor ihr blieb er stehen und schätzte sie von Kopf bis Fuß ab.

„Wer bist du?“

Seine Worte grollten wie Felsen, die von einem reißenden Bergbach gegeneinander geschmettert wurden. Der Befragten lief es kalt den Rücken herunter, doch äußerlich behielt sie unerschütterlich die herausfordernde Haltung bei. Ihre Antwort bestand nur aus einem Wort, damit kein Zittern in der Stimme ihre Maske gefährdete.

„Irina.“

Seine kleinen schwarzen Augen fixierten die ihren. Wagemutig hielt sie dem Blick stand. Was gäbe sie dafür, wenn sie lesen könnte, was hinter seiner zerfurchten Stirn vorging. Schließlich brach er das minutenlange Schweigen.

„Bist du das Stammesoberhaupt dieses Dorfes?“

Irina schnaubte belustigt. Sie war eine niedrige Magd, ohne Aussicht, jemals eine höhere Stellung zu erreichen. Und nun, als ihre Welt um sie herum in Asche zerfiel, hielten diese Wilden sie für eine Führerin?

Einen Augenblick lang war sie versucht, den Irrtum unaufgeklärt zu lassen und sich zumindest als Tochter des Dorfvorstehers auszugeben. Stattdessen stellte sie eine Gegenfrage.

„Wie kommst du darauf?“

„Du bist die Erste, die keine Angst vor uns zeigt. Alle sind weggerannt oder wir haben sie erschlagen. Kaum einer unternahm den törichten und sinnlosen Versuch, gegen uns zu kämpfen. Diejenigen verdienten sich aber wenigstens unsere Achtung und einen schnellen sauberen ****.“

Oh, Himmel! In was für eine Klemme brachte sie sich durch ihre Aufmüpfigkeit? Ein schneller **** war vielleicht das Beste, was sie sich jetzt noch erhoffen könnte. Den Bestien lebend in die Hände zu fallen, konnte sich niemand wünschen.