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Chapter 3 by Papas_Liebling Papas_Liebling

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Der Abgrund

Ich ging ihm voraus durch das Wohnzimmer, bemüht, meine Bewegungen ruhig wirken zu lassen, obwohl meine Knie sich anfühlten, als bestünden sie aus Pudding. Bei jedem Schritt war ich mir überaus bewusst, dass er dicht hinter mir ging. Ich meinte, seinen Blick in meinem Rücken zu spüren, vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, aber mein Körper reagierte darauf mit einer nervösen Wärme, die mir in die Wangen stieg.

Der Vorhang zum Balkon war halb offen, die Sonne schien hell, der Morgen draußen war noch kühl und klar. Ich öffnete die Tür, ging hinaus und spürte den kalten Stein unter den dünnen Sohlen der Slipper an meinen Füßen – eine willkommene Abkühlung. Ich fröstelte und konnte nun den Bademantel eng um mich schließen, ohne dass es peinlich oder gehetzt gewirkt hätte.

„Da drüben ist dein Balkon, oder?“ fragte ich, drehte mich um. Er trat neben mich und in diesem Moment auf dem schmalen Balkon streiften unsere Arme aneinander. Nur eine flüchtige Berührung, doch es war, als hätte jemand ein Streichholz über meine Haut gezogen. Das Brennen hielt an und mir wurde unendlich heiß.

Er lächelte entschuldigend, beinahe verlegen, und trat an die Brüstung. Ich beobachtete, wie er abschätzte, wie weit er sich vorbeugen müsste, um das gegenüber liegende Geländer zu erreichen. Ob es Vorsprünge gab, an denen er sich abstützen könnte. Mir wurde flau im Magen. Es war vermutlich nur ein Meter Abstand, den es zu überwinden galt. Aber der Abgrund dazwischen war tief und ein Sturz wäre fatal.

„Bist du sicher, dass du das kannst?“ fragte ich, meine Stimme weinerlicher als gewollt. Ich hätte ihn gern aufgehalten. Nicht nur, weil mir der Gedanke, er könnte abstürzen, einen Eisblock in den Magen versetzte – sondern auch, weil ich plötzlich erkannte, wie sehr ich mir heimlich wünschte, dass er bei mir blieb.

„Keine Sorge“, sagte er, sein Grinsen war selbstsicher. Zu selbstsicher.

Ich trat einen Schritt näher, instinktiv, wollte ihn zurückziehen, doch meine Hand hielt mitten in der Luft inne. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr richtig. Und er fühlte sich fremd an, hitzig, ängstlich, wie elektrisiert. Was war nur mit mir los? Warum hatte ich das Gefühl, als würde ich auf einer Schwelle stehen, die viel höher und gefährlicher war als der Abgrund zwischen den beiden Balkonen?

Er schwang ein Bein über das Geländer, griff routiniert nach der Halterung des Regenrohrs an der Hauswand daneben – als hätte er das schon hundertmal gemacht. In diesem Augenblick kapierte ich erst richtig, dass er tatsächlich beabsichtigte, ohne Sicherung von einem Balkon zum nächsten zu klettern.

„Warte!“, rief ich. Mein Hand schoss nach vorne und berührte seinen bloßen Unterarm, ohne über die Folgen nachzudenken. Seine Haut war warm, die Muskeln darunter angespannt, alles an ihm pulsierte vor Kraft. Doch meine unerwartete Berührung brachte ihn aus dem Konzept, er wankte, schien das Gleichgewicht zu verlieren.

Für einen schrecklichen Augenblick glaubte ich, er würde abstürzen. Unwillkürlich stellte ich mir vor, wie er abrutschte, wie sein Körper im freien Fall verschwand – und dass ich die Schuld dafür tragen würde. Ich zog meine Hand zurück, als hätte ich sie mir verbrannt.

Und im gleichen Maß war ich darüber erschrocken, wie wunderbar es sich angefühlt hatte, ihn zu berühren. Ich nahm mir vor, ab sofort jeden Körperkontakt zu vermeiden. Denn ich könnte nicht garantieren, ihn dann jemals wieder loszulassen.

Noch immer auf dem Geländer balancierend drehte er den Kopf und sah mich an – er wirkte überrascht, zu meiner großen Erleichterung aber nicht verärgert. Als mich sein Blick traf, löste dies einen Funken aus, der mich durchfuhr wie ein Stromstoß.

„Mach das nicht“, flüsterte ich fast flehend. „Bitte. Es ist zu gefährlich.“ Meine Stimme zitterte, und ich wusste selbst nicht, ob das nur von der Angst kam, die ich um ihn hatte. Oder ob noch etwas ganz anderes dahinter steckte.

Er zögerte, sah kurz zu seinem Balkon hinüber, dann wieder zu mir. Schließlich kletterte er zurück, mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. „War vielleicht doch keine so gute Idee. Vielleicht sollte ich besser einen Schlüsseldienst rufen.“

Ich wich einen Schritt zurück, um es auf dem engen Balkon nicht erneut zu einer unbeabsichtigten Berührung kommen zu lassen. Endlich konnte ich wieder durchatmen.

„Komm… bitte. Geh'n wir rein“, sagte ich einladend.

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