Remy packt ein

Remy war stinksauer. Einen kurzen Augenblick blieb sie auf der Außentreppe des Princeton Plainsboro stehen und rang innerlich mit sich selbst, bis sie einsah, dass es keinen Sinn machte. House bekam immer seinen Willen und letztendlich würde sie sich auch diesmal den Wünschen ihres Chefs fügen. Also konnte sie auch sofort ans Werk gehen und musste keine Energie auf ohnehin zum Scheitern verurteilte oppositionelle Gedanken verschwenden. Also machte sie kehrt, stieg die Stufen wieder hinauf und betrat die Eingangshalle von Neuem.

"Haben sie etwas vergessen, Dr.Hadley?" Die Schwester, die ihr eben mit dem Handy nachgelaufen war, nahm das Telefon wieder entgegen und sah der Ärztin verwundert nach, als sie zurück zum Lift ging.

"House." knurrte Remy als kurze Antwort, doch die Schwester nickte verständnisvoll. Das Diagnose-Team waren nicht die einzigen Angestellten des Krankenhauses, die House regelmäßig terrorisierte und in den Wahnsinn trieb. Remy betrat den Aufzug und fuhr wieder nach oben. Wenn es bei dieser neuen Adresse etwas zu untersuchen gab, würde sie Testbeutel, sterile Handschuhe, eine Atemmaske und einige andere Ausrüstung benötigen.

Das Stockwerk, das sie erst vor wenigen Minuten verlassen hatte und nun wieder betrat, war immer noch menschenleer. Sie passierte die Umkleide und die Büros von House und Wilson, schloss einen Lagerraum auf und begann einen Rucksack mit den benötigten Utensilien zu packen. Dabei wog sie in ihren Gedanken ab, ob es Sinn machen würde, House diesen versauten Abend irgendwie heimzuzahlen, aber ihr misanthropischer Chef liebte solche Macht- und -Spiele und war darin sicher besser als sie. Außerdem war es kindisch. Dennoch ließen sie ihre momentanen Rachephantasien nicht los, bis ein Geräusch sie aus ihren Gedanken riss. Sie hob den Kopf und lauschte in die Dunkelheit, doch nichts war zu hören. Wahrscheinlich hatte sich Remy einfach geirrt.

Mit gepacktem Rucksack verließ sie den Lagerraum wieder. Abermals klackten ihre Absätze auf dem Boden, als sie ins Büro des Diagnose-Teams ging, um einige Unterlagen mitzunehmen. Wenn sie sich schon diesen Abend versaute, konnte sie ihre Arbeit wenigstens auch gründlich machen. Wenn schon nicht für House, dann wenigstens für den Patienten. Sie stand mit leicht vorgebeugtem Oberkörper über dem Glastisch, blätterte eine Mappe durch, sah sich den ein oder anderen Befund von Neuem an... und schrak zusammen, als sie abermals ein Geräusch hörte. Es klang, als ob etwas Schweres zu Boden gefallen sein. Sie drehte sich herum und blickte durch die Glaswand in den dunklen Gang, aber das wenige Mondlicht, dass durch die Fenster fiel, enthüllte nichts.

Remy zog eine Augenbraue hoch und trat in den Korridor hinaus. Sie blickte in beide Richtungen, doch niemand war im Halbdunkel des breiten Ganges zu sehen. "Ist da wer?" rief sie und kam sich augenblicklich blöd vor. Wenn sich hier jemand heimlich im Dunkeln herumtrieb, würde er ganz sicher nicht antworten. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf und ging zurück ins Diagnose-Zimmer. Dabei fiel ihr Blick auf House´ Laptop und sie spielte mit dem Gedanken, ihn mitzunehmen und näher zu untersuchen.