Cool bleiben heißt die Devise

Einen kurzen Moment hielt Alex inne - vor allen Dingen, um sich zu orientieren und die richtige Tür zu finden, aber auch, um einen ersten Eindruck von der Stimmung hier im Raum zu gewinnen. Sein Eindruck war: die Wachen hier waren allesamt neugierig bis beeindruckt, wer hier hereingekommen war. Unter dem Geraune, das sich ausbreitete, glaubte er Worte wie "Riesenweib" und "Wuchtbrumme" herauszuhören: Diana war eben eine auffällige Erscheinung.

Schließlich hatte er die Tür AC-4 gefunden und schubste die "Wuchtbrumme" sanft an, damit sie sich auch in Bewegung setzte. Während sie finster jeden anstarrte, der zu lange in ihre Richtung sah, bemühte sich Alex, möglichst unbeeindruckt dreinzukucken und darüber hinaus keinen Blickkontakt mit einer anderen Wache aufzunehmen. Er wollte alles vermeiden, was jemanden dazu bringen könnte, seine und Dianas Anwesenheit hier in Frage zu stellen-

"Na, da hast du aber mal ein ordentliches Paket mitbekommen", sprach ihn in diesem Moment einer der Wachleute von der Seite an - offenbar hatte er nicht gut genug weggeschaut. "Wohin geht es denn mit dem Goldstück?"

"Überführung in Einzelhaft", gab Alex so gelangweilt wie möglich zurück. "Konnte sich nicht benehmen."

Der andere Wachmann sah überrascht aus. "Und da kommst du hier durch? Der Zugang für die Frauen aus Block B liegt-"

Diana machte eine plötzliche Bewegung in seine Richtung, dass er erschrocken zurückwich. "Ey, hast du mich eben als Frau misgendert, du Arsch?" fuhr sie ihn an. "Ich mach dich platt!"

"Hey, hey, hey!" Alex griff sie eilig an den Handschellen und zog sie etwas zurück, was ihm nur deshalb gelang, weil Diana auch mitmachte. "Schön ruhig, sonst gibt's gleich drei Tage extra in der Einzelzelle!" Er sah zum Wachmann. "Sorry für das eben. Dachte, er hat es inzwischen kapiert."

"Manche brauchen etwas länger für ihre Lektionen", gab der Wächter zurück, wobei er Diana weiterhin anstarrte. "Kriegst du das alleine hin? Ich kann dich gerne bis zu den C-lern begleiten."

Alex schüttelte den Kopf. "Ich krieg das alleine hin. Der hier wird sich benehmen. Hast du verstanden? Benimm dich!" Er rüttelte noch einmal an den Handschellen.

Die Blicke der anderen Leute verfolgten ihn und Diana noch, bis er an der Tür war und sie mit seiner Zugangskarte geöffnet hatte, und als sie hindurch waren, atmete er einmal tief durch. "Gut improvisiert", lobte er sie dann. "So schnell wär ich nicht auf so eine Idee gekommen."

"Lag doch auf der Hand", gab Diana mit einem verschmitzten Lächeln zurück, "bei den Stielaugen, die die alle gemacht haben. Einfach ein bisschen deren Vorurteile gegen mich ausspielen, damit sie gar keine Lust mehr haben, sich noch näher mit mir zu beschäftigen."

"Wie gesagt, gut improvisiert." Alex griff zum Funkgerät. "Areion hier - wir sind durch den Aufenthaltsraum. Hättest uns aber sagen können, dass der gerade gut besucht war."

Ein kurzes Knacken in der Leitung kündigte Toms Antwort an. "Im Aufenthaltsraum gibt es keine Kameras", sagte er dann, "aber das sollte der einzige Teil eures Weges sein, bei dem ich euch nicht sehen konnte. Als nächstes steht der Checkpunkt an. Ist ein Schleusensystem. Deine Zugangskarte bringt dich hinein, aber nicht hindurch. Das heißt, die Wachen dort müssen euch durchlassen. Ich sorg dafür, dass eure Geschichte bestätigt wird."

Alex sah zu Diana. "Alles klar, wir haben das im Griff. Wie viele Wachen sind es diesmal?"

"Zwei. Sehen etwas müde aus."

"Na, dann werden sie gleich wach sein", gab Alex zurück und hielt seine Zugangskarte an das Lesegerät vor der nächsten Sicherheitstür.

Die Tür öffnete sich, und wie erwartet befand sich dahinter ein relativ kleiner Raum, spärlich eingerichtet, mit einer Konsole an der Seite und zwei Stühlen, auf denen Wachleute saßen, ein noch recht junger und ein deutlich älterer mit grauem Vollbart. Als Alex und Diana eintraten, erhoben sich beide mit etwas verwunderter Miene. "Was wird das hier?" wollte der ältere wissen.

Alex deutete Diana, ein Stück zur Seite zu gehen. "Gefangenenüberführung in Einzelhaft", sagte er dann. "Geht nach Block E."

"Uns hat keiner informiert", gab der Wachmann zurück und gab seinem Kollegen ein Zeichen, der sich an die Konsole stellte. "Lass uns kurz den Vorgang gegenchecken. Theo, siehst du was im System?"

"Hier ist ne allgemeine Mitteilung aufgepoppt, dass sich VMs wegen eines Serverupdates verzögern können", gab der jüngere Wachmann zurück. "Gibt's da ein Protokoll für?"

Die ältere Wache nickte. "Rücksprache halten." Er nahm sein Funkgerät an den Mund. "Zugang C4 für Zentrale."

Nach einem Moment meldete sich Toms Stimme. "Zentrale."

"Bitte bestätigt uns eine Über nach E."

"Bestätigt", gab Tom zurück. "Könnt sie durchlassen."

Der Wachmann gab ein zufriedenes Brummen von sich. "V-Nummer, bitte. Wegen dem Serverupdate haben wir keine Unterlagen hier."

Einen Moment war Stille. "Moment bitte", war Toms Stimme zu hören. "V-Nummer... 3862."

"3862?" Der Wachmann sah verwundert aus. "Und weiter? Seit wann haben Vs nur vier Ste- nnk!"

"Seit heute", sagte Diana, die von hinten ihre starken Arme um den Hals der Wache gelegt hatte und ihn jetzt im Schwitzkasten hielt.