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Chapter 4

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Rapunzel Z.02

Nasturs Herz schlug bis zum Hals, während er seiner Schwester zusah, wie sie immer höher am Turm hinaufstieg. Doch seine Sorge war unbegründet. Behände wie ein kleiner Affe hangelte sich Urtica zwischen dem Efeu an der Wand hoch. Als sie das Fenster erreicht hatte, winkte sie ihm noch einmal kurz zu. Nastur blieb die Luft weg, weil sie sich währenddessen nur mit einer Hand festhielt. Dann verschwand sie im Schatten des Turminnern. Kurz darauf klatschte das Ende eines Seils neben ihm zu Boden. Er murmelte: „Rapunzels Tochter, lass dein Haar herunter, hätte ich wohl erst rufen sollen, damit es stilecht wird."

Dann zuckte er mit den Schultern, band sich eine Schlinge um den Oberkörper, stellte die Füße gegen den Turm, und als er spürte, wie das Seil nach oben gezogen wurde, fing er an, langsam an der Wand hinauf zu gehen. Dabei vermied er tunlichst, nach unten zu sehen. Das schwierigste Stück, nämlich der Einstieg ins Fenster lag direkt vor ihm, als das Seil ins Stocken geriet. Dann streckte sich ihm eine Hand entgegen, die er dankbar ergriff.

Beider Gesichter waren vor Anstrengung gerötet, als sie sich im Turmzimmer gegenüberstanden. Dann grinsten sie glücklich und fielen sich erleichtert um den Hals. Urtica war aber fiel zu aufgeregt, um lange still zu halten. Sie trennte sich von ihrem Zwillingsbruder, wies auf ihren Rucksack, den sie auf dem Boden abgestellt hatte und meinte: „So, jetzt können wir dein Picknick machen. Packe du aus, ich seh' mich rasch um."

Nastur unterdrückte den Impuls, sie erneut zu Vorsicht zu gemahnen. Der Turm hatte einen Durchmesser von vielleicht vier oder fünf Metern. Das Zimmer, in dem sie standen, offenbar der Wohn- und Schlafbereich, nahm davon bereits den größten Teil ein. Eine geschlossene Tür führte in den Rest. Tödliche Gefahren würden dort vermutlich nicht lauern. Urtica verschwand dahinter.

Ein bedrohliches Dröhnen und Quietschen aus dem Nebenraum jagte Nastur einen gewaltigen Schrecken ein. Wie der Blitz war er auf den Füßen und stürzte zur Quelle des Getöses. Dort betätigte seine fröhliche Schwester den Schwengel einer eingerosteten Pumpe. Die beängstigenden Geräusche kamen aus der trocken gefallenen Leitung, die kurz darauf eine dunkelbraune Brühe ausspuckte. Urtica ließ aber nicht locker, und nachdem sie mehrere Liter Flüssigkeit hochgepumpt hatte, floss letztlich klares Wasser aus dem Hahn.

„Wusste ich's doch! Wie hätte Mama hier jahrelang ohne frisches Wasser überleben sollen?", feixte sie und deutete auf eine kupferne Sitzwanne, die an der Wand neben einem Herd stand, „du weißt, wie gerne sie badet. Hätte sie all das Badewasser eimerweise mit ihren Haaren hier heraufziehen sollen?"

Nach dem einfachen aber sättigenden Essen standen sie gemeinsam am Fenster und sahen in den Sommeruntergang.

„Danke für deine Beharrlichkeit", Nastur sah seine Schwester von der Seite an, „ehrlich. Ich bin sehr froh, dies mit dir erlebt zu haben."

„Gern geschehen, kleiner Bruder. Morgen gehen wir nach Hause und werden erwachsen. Du bereitest dich darauf vor, König zu werden. Und ich warte auf das Erscheinen meines Märchenprinzen", ihre Stimme troff vor Sarkasmus, „aber diese eine Nacht haben wir noch."

Sie begann, ihre Jagdbluse aufzuknöpfen. Nastur zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Ich gehe baden. Was hast du denn gedacht? Ich bin schließlich die Tochter unserer Mutter."

Er sah seiner Schwester nach, während sie in Richtung des kombinierten Küche-Badezimmers ging. Wie es ihre Art war, kickte sie unterwegs ihre Stiefel von den Füßen und hinterließ eine unordentliche Spur ihrer Kleidungsstücke auf dem Weg zum Bad. Als sie die Tür erreicht hatte, trug sie nur noch ihr Höschen. Ehe sie hindurch ging, drehte sie sich noch einmal halb um und zwinkerte ihrem Bruder zu. Im Halbdunkel, das sich mit der einbrechenden Dämmerung im Turm verbreitete, konnte er nur ihre Silhouette erkennen, die einen beeindruckend athletischen, weiblichen Körper mit straffen Brüsten, flachem Bauch, hübsch gerundetem Hinterteil und schlanken Beinen zeigte. Ihr langer Zopf hing über den ganzen Rücken herab.

„Aber nicht gucken!", säuselte sie mit mädchenhaftem Augenaufschlag.

„Ach verschwinde!", blaffte er zurück.

Es war seit Jahren ein altes Spiel zwischen ihnen. Seit ihrer Geburt waren sie immer zusammen gewesen, waren gemeinsam gebadet worden und schliefen in einem Bettchen. Ehe sich ihre Körper äußerlich deutlich zu unterscheiden begannen, hatten sie sich manchmal heimlich ausgezogen und ihre Kleider getauscht, um ihre Aufpasser oder Lehrer zu verwirren.

Dann kam der Tag, an dem das Kindermädchen ihnen verbot, sich gegenseitig nackt zu sehen. Weder verstanden sie es, noch hielten sie sich daran. In aller Unschuld lebten sie weiter wie bisher und beobachteten, wie ihre Körper begannen, sich unterschiedlich zu entwickeln. Mit der zunehmenden Erkenntnis ihrer verschiedenen Geschlechter wurde ihnen bewusst, dass mindestens ein äußeres Merkmal sie schon immer als Bruder und Schwester gekennzeichnet hatte.

Nachdem ihre ersten harmlosen Fragen nach dem Warum und Wozu dieses Unterschieds seitens der Erwachsenen unbeantwortet blieben, verzichteten sie darauf, weiter nachzubohren. Aber sie begannen zu beobachten. Und da sie aufmerksam und intelligent waren, zudem in einem Schloss mit ausgedehnten Stallungen, zahlreichen Hunden und Katzen, sowie umliegenden Gehöften aufwuchsen, reimten sie sich die notwendigen Antworten zusammen. Mit dem Verständnis kam das Schamgefühl und seither vermieden sie es, sich dem anderen völlig nackt zu zeigen.

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