Nachbetrachtung

Zwanzig Minuten saß Arminiasil wieder bekleidet in einem tiefen Ledersessel. Shahi hatte ihn auch medizinisch verarztet. Ein wenig Heilmagie hatte er selber einfließen lassen. Nun hielt er in seiner gesunden Hand einen eleganten Bleiglasschwenker. Ein nussig duftender Cognac verwöhnte seine Elfensinne. Ihm gegenüber saß seine Klientin. Sie trug ein bodenlanges, dunkelviolettes Negligé, welches wenig verbarg, aber umso mehr versprach. Zu ihren Füßen kniete Shahi. Ihr Kopf war sanft gegen die weichen Schenkel ihrer Herrin geneigt. Arminiasil spürte den musternden Blick seiner Klientin. Er nahm einen genussvollen Schluck aus dem Glas. Ein eleganter Tropfen: Nuss, Kirsche und seidiger Abgang auf der Zunge. Perfekt, wie alles in dieser Suite.

"Wie geht es jetzt weiter?"

"Ihr habt gute Arbeit geleistet, Icehand."

"Das bin ich meinem Ruf schuldig."

"Ich werde euch weiter empfehlen."

"Gut."

Die Klientin hob eine Augenbraue. "Gut? Mehr nicht?"

Arminiasil zuckte mit den Schultern. "Gut reicht völlig."

Ein Schatten huschte über die üppigen Lippen unter der goldenen Maske. "Ihr seid sehr anspruchsvoll, Icehand."

"Ganz im Sinne meiner Klienten."

"Touché!" Sie lächelte. Dann wurde ihre Miene wieder ernst. "Ich werde eure Bezahlung verdoppeln. Ihr habt mir das Leben gerettet."

"Von Toten erhalte ich keinen Sold."

"Sold?" Sie lächelte erneut. Nur kälter. "Das klingt wenig romantisch."

"Für Romantik bin ich nicht zuständig. Nur für wohlbehaltene Klienten."

"Ah." Die Frau mit der goldenen Gesichtsmaske verstummte. Abwesend strich ihre Hand durch Shahis dichtes Haar. Ihre Assistentin lächelte verzückt. Arminiasil nahm noch einen Schluck. Dieser Job hatte es wirklich in sich gehabt. Schon lange nicht mehr war es so eng gewesen. Der Leibwächter spürte, wie sich sein Adrenalinlevel wieder senkte. Der herrliche Sex von eben hatte das High nur expandiert. Die Leere danach würde umso tiefer sein. Er musste weg von hier. Aber er hatte noch einige Fragen.

"Wer waren die Kerle, die uns auf ihrer Abschussliste hatten?"

Regungslos antwortete seine Klientin, wie aus der Pistole geschossen: "Das weiß ich nicht."

Arminiasil hob eine Augenbraue. "Wirklich nicht? Das fällt mir schwer zu glauben."

"Ich muss euch leider enttäuschen."

"Na, gut." Arminiasils Cyberaugen glänzten kalt. "Wenn ihr wollt. Ich wüsste nur gerne, in welches Vipernnest ich jetzt getreten bin."

"Das kann ich euch leider nicht sagen."

"Und euer... Partner?"

"Der ebenfalls nicht." Die Stimme seiner Klienten wirkte schlagartig belegt, so als fiel ihr die Antwort schwer.

"Seid ihr euch sicher?"

"Hundertprozentig. Tote können keine Auskunft geben." Als Arminiasil sie fragend anschaute, ergänzte sie: "Die Leiche in der Gasse. Als wir aus... dem Fenster sprangen."

"Verstehe." Arminiasil leerte das Cognacglas und richtete sich auf. "Sie werden wiederkommen. Sie haben ihre Arbeit nicht erledigt."

"Der Goldene Turm verfügt über allerbeste Security-Einrichtungen."

"Das mag sein. Aber ihr könnt schwerlich auf Ewig hier sitzen."

Die Klientin zuckte mit den Schultern und rührte sich in ihrem Sessel. Ihre vollen Lippen verzogen sich zum Ansatz eines Lächeln. "Ich könnte womöglich einen guten Leibwächter gebrauchen."

"Das wäre in eurer Situation sicherlich ratsam. Aber er sollte hervorragend sein. Entsprechende Experten sind nicht billig. Ihr scheint die Gefahr magisch anzuziehen." Bei dem Wort 'magisch' zuckte seine Gastgeberin zusammen. Ariminiasil ließ sich nicht anmerken, dass er ihre Reaktion bemerkt hatte und wartete auf ihre Antwort.

"Dreißig Prozent mehr als zuletzt. Dafür steht ihr mir vierundzwanzig Stunden zur Verfügung." Wie sie das sagte, klang es sehr sinnlich. "Die doppelte Bezahlung für bereits geleistete Dienste bleibt natürlich bestehen."

"Fünfzig."

"Vierzig. Außerdem werdet ihr herausfinden, wem wir die Gesellen mit den Schrotflinten zu verdanken haben."

"Vierzig. Gut. Und ein Bonus von zehn Tagessätzen, wenn mir Letzteres gelingt."

"Zehn Tagessätze?" Zum ersten Mal wirkte die geheimnisvolle Schöne überrascht. Arminiasil meinte förmlich zu sehen, wie die Rädchen in ihrem Kopf arbeiteten. "Ihr seid maßlos."

"Und ihr benötigt den besten Schutz, den ihr erhalten könnt." Arminiasil grinste und machte sich auf den Weg in Richtung Ausgang. "Überlegt es euch. Aber nicht zu lange. Die Uhr tickt."

"Wartet."

Der Elf blieb auf halben Weg stehen. Seine Klientin hatte sich aufgerichtet. Ihre Assistentin ebenfalls. Die geheimnisvolle Schöne nickte mit dem Kopf. Auf leichten Füßen verschwand Shahi, um nur kurze Zeit später wieder zurückzukehren. In der Hand hielt sie einen Credstick. Die junge Frau reichte ihm den Stick. Ohne den Betrag zu überprüfen, steckte Arminiasil den Credstick ein.

"Wie kann ich euch benachrichtigen?"

"Genauso wie beim nächsten Mal. Nur die Kombination wird ein wenig anders sein. Dreimal die sechs anstelle der vier."

Die Klientin nickte. Für einen kurzen Moment zuckte sie vor. Letztendlich hielt sie sich aber zurück.

"Ich werde jetzt gehen."

"Natürlich... und nochmals, danke."

"Keine Ursache." Arminiasil lächelte und schritt geradewegs in Richtung Ausgangstür. Als er das elektronische Schloss betätigte blickte er sich noch einmal um. "Wartet nicht zu lange. Es wäre ein Verlust." Er grinste anzüglich.

Als Belohnung bemerkte er den Ansatz leichter Röte auf den noblen Wangen seiner Klientin. Es war Zeit zu verschwinden. Sie würde sich melden. Darauf konnte er seine Kristallhand wetten.