Miley Cyrus

Ich sehe auf die Uhr an der Wand. Es ist schon fast drei Uhr nachts, noch fünf Stunden bis zum Dienstschluss. Glücklicherweise scheint der Patientenstrom in der Notaufnahme endlich etwas nachzulassen. Ich habe gerade eine weitere Behandlung abgeschlossen, als die heute diensthabende, schon etwas ältere Nachtschwester mir eine weitere Behandlungsakte reicht. „Das ist eine ganz seltsame Sache“, meint sie kopfschüttelnd. „Die nächste Patientin ist eine Amerikanerin. Scheint irgendwie eine Berühmtheit zu sein oder so“, fährt sie fort. Ohne auf das Namensetikett auf der Akte zu sehen, betrete ich das nächste Behandlungszimmer.

„Hallo, mein Name ist Martin Bauer. Ich bin der diensthabende Assistenzarzt. Was kann ich für Sie tun?“ stelle ich mich höflich vor. Die junge Frau auf der Behandlungsliege trägt alte, verwaschene Jeans, einen dunkelgrauen Kapuzenpulli, eine Schirmmütze und eine dunkle Sonnenbrille. Sie hat lange blonde Haare und ist offenbar sehr hübsch. Und sie kommt mir tatsächlich irgendwie bekannt vor. „Ich bin Miley. Miley Cyrus“, sagt die junge Frau lächelnd und nimmt schließlich ihre Sonnenbrille herunter. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Cyrus“, antworte ich auf Englisch, als ich mich von meiner Überraschung erholt habe.

Eine weitere junge Frau, die auf einem Stuhl in dem Behandlungsraum sitzt, ergreift sogleich das Wort. Sie stellt sich als persönliche Assistentin von Miss Cyrus vor und erklärt mir wortreich, dass während der After-Show-Party nach ihrem Konzert ein plötzliches Herzrasen aufgetreten sei. So etwas habe Miss Cyrus schon häufiger gehabt, dieses Mal sei das Herzrasen jedoch nicht besser geworden. Ich betrachte mir das von der Nachtschwester bereits angefertigte EKG und fordere Miley auf, den Pulli hochzustreifen, damit ich sie untersuchen und eine echokardiographische Untersuchung ihres Herzens durchführen kann ...