Mein neuer Nachbar

Als er auf dem Treppenabsatz auftauchte, stockte mir für einen Moment der Atem. Da kam unser neuer Nachbar, der erst Anfang des Monats nebenan eingezogen war. Er trug Sportkleidung, wirkte leicht außer Atem, die dunklen Haare vom Joggen verschwitzt. Sein Funktions-Shirt war feucht und klebte ihm an Brust und Rücken, wodurch sich sein durchtrainierter muskulöser Oberkörper darunter deutlich abzeichnete. Ich lächelte ihn automatisch an. Er sah einfach wahnsinnig attraktiv aus. Wenn ich nicht verheiratet wäre, hätte ich ihn gleich am ersten Tag gefragt, ob er schon liiert ist. Aber so war er einfach off-limits. Ich seufzte innerlich über die verpasste Gelegenheit.

„Guten Morgen, äh, Emma, nicht wahr?“, sagte er mit einem schiefen Lächeln, „Ich Trottel bin heute früh losgerannt und hab meinen Schlüssel in der Wohnung vergessen … könnte ich vielleicht kurz durch eure Wohnung und über den Balkon klettern? Von da komme ich vielleicht über ein gekipptes Fenster bei mir rein.“

Ich brachte gerade noch ein Nicken zustande, obwohl meine Gedanken wild durcheinanderwirbelten. Meine Kehle schien plötzlich wie zugeschnürt. Mein Blick wurde unwillkürlich von der Bewegung angezogen, wie er verlegen über seine nackten Unterarme strich. Ohne es zu wollen, rutschten meine Augen tiefer. Der Stoff seiner kurzen Hose spannte sich an den kräftigen Oberschenkeln. Und auch dazwischen lag sie knapp und eng an, wodurch ein bestimmtes Körperteil mehr betont als verborgen wurde. Die Größe war - beeindruckend. Meine Augen blieben daran kleben.

Ich räusperte mich. „Natürlich… komm rein“, meinte ich, um einen beiläufigen Ton bemüht, obwohl mein Puls längst aus dem Takt geraten war. Plötzlich spürte ich die kühle Luft im Treppenhaus, die mir um die nackten Beine strich, im Kontrast zur überraschenden Wärme meines eigenen Körpers unter dem dünnen Stoff meines Morgenmantels. Warum war ich nicht wenigstens auf die Idee gekommen, ihn zuzubinden?

Ich riss meinen Blick gewaltsam von ihm los und trat zur Seite. Als er sich an mir vorbei in den Flur schob, entstand zwischen uns eine flirrende Spannung, als ob die Luft elektrisiert würde. Die dünnen Härchen an meinen Armen stellten sich auf.

Kaum war die Tür hinter uns ins Schloss gefallen, wurde mir bewusst, wie still es in der Wohnung war. Nur sein Atem, noch leicht beschleunigt vom Joggen, durchbrach die Stille. In meinen Ohren pochte mein eigener schneller Puls.

Ich spürte meine Unsicherheit als Ziehen in der Brust. Mein Herz schlug heftiger, nicht nur, weil er so dicht bei mir stand. Ich war verheiratet. Ich hatte mich für ein Leben mit Fabian entschieden, für Sicherheit. Und nun stand da ein Mann – quasi ein Fremder, ja, aber einer, der in mir etwas rührte, das ich längst begraben geglaubt hatte. Etwas Wildes. Etwas Verbotenes.

Sein Blick glitt kurz über mich, taxierte mich. Es schien, als wolle er etwas sagen, aber er zögerte, es auszusprechen. Er hatte gesehen, wie locker mein Morgenmantel um meinen Körper lag und ich keinen Versuch machte, ihn zu schließen. Der dünne rosa Stoff meines Nachthemds schmiegte sich an meine Haut. Ich fühlte mich ertappt – und zugleich … lebendig. Es prickelte auf meiner Haut, als hätte jemand meine Schultern und meinen Rücken unter dem Hemd mit einer Feder berührt. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, mehr aus Reflex als aus echtem Bedürfnis, mich zu bedecken.

„Klar, du kannst auf unseren Balkon. Ich … ich zeig dir den Weg“, hörte ich mich sagen. Meine Stimme klang leiser und rauer als gewohnt. Ich bemerkte, wie meine Knie leicht zitterten. Um mich zu beruhigen, atmete ich tief durch die Nase ein. Doch das war ein Fehler, wie ich sofort feststellte. Ich inhalierte seinen Duft, fast meinte ich, seinen Geschmack auf meiner Zunge schmecken – eine Mischung aus frischem Laub, Schweiß und etwas herb Männlichem, das mich erröten ließ.

Was tat ich hier eigentlich? Was fühlte ich da? Und warum … warum wollte ein Teil von mir, dass dieser Moment nicht so schnell zu Ende war?