Laras Zeitreise

Lara erhob sich langsam vom Altar und ging auf das Tor zu, bis sie unterhalb der Lichtkugel stand. Sie wollte die Türgriffe packen, doch das Tor öffnete sich von selbst. Grelles, weißes Licht blendete Lara und sie hielt sich die Hand vor die Augen. Dann spürte sie einen sanften, aber unwiderstehlichen Sog, der sie durch das Tor hindurch zog. Die junge Archäologin stand jetzt ganz in weißem Licht und hörte wie sich das Tor hinter ihr wieder schloß. Dann erklang die Stimme wieder in ihrem Kopf.

"Ich habe dich zum Ort deiner Prüfung gebracht, Lara," sagte die Stimme, "Wenn sich das Licht zurückzieht, wirst du festsellten, dass du immer noch im Botanka-Gebiet bist, aber ich habe dich durch Raum und Zeit geschickt zum uralten Beginn des Shurak-Kultes, weit vor jene Zeit, in der die ersten Artefakte erschaffen wurden."

"Ich bin durch die Zeit gereist," fragte Lara erstaunt und neugierig zugleich.

"Ja, du bist auf einer Reise durch die Zeit. Jahrtausende vergehen in einer Sekunde, während du im Licht stehst. Und bald wirst du Zeit, die dein Ziel ist erreicht haben. Dort wirst du deine Prüfung finden."

"Und was muß ich dabei tun ?" fragte Lara, aber ihre Gedanken waren nur halb anwesend. Die andere Hälfte von ihr dachte über die faszinierenden Möglichkeiten einer Zeitreise nach. Sie würde Dinge sehen, die kein moderner Mensch vor ihr gesehen hatte. Vielleicht würden sich sogar einige alte Rätsel der Geschichte in dieser Zeit lösen lassen. Sie war aufgeregt.

"Du wirst einen alten Ort aufsuchen müssen, hoch im Gebirge, weit über den Wipfeln des Dschungels. Dort steht der erste Tempel des Shurak-Kultes. Wenn du den Tempel erreichst und es dir gelingt, in die verborgene Krypta einzudringen, wirst du ein Portal erblicken, dem Tor, durch das du geschritten bist, nicht unähnlich. Wenn du dieses erreichst und wieder durchschreiten kannst, wirst du in deine Zeit zurückkehren und ich werde wissen, dass du keine Feindin bist. Dann werde ich dir den Weg zu den Männern weisen, die du suchst. Du wirst im Augenblick deiner Abreise zurückkehren, so daß du keine Zeit in deinem Streben verlierst. Und ich versichere dir, dass die beiden Männer und ihre Helfer den Turm bis dahin nicht verlassen werden. Doch werde ich dich in dem Kampf nicht unterstützen, denn sie sind Freunde des Stammes, der meinen Turm getreulich bewacht."

"Klingt fair," sagte Lara, als ob sie einen Deal eingehen würde. Dabei hatte sie kaum eine andere Wahl.

Die Stimme schwieg und kurz darauf begann das Licht, das Lara immer noch blendete, zurückzuweichen. Als sich ihre Augen an die veränderten Bedingungen gewöhnt hatten, sah sie, dass sie mitten im Dschungel stand. Das Gelände ähnelte dem, auf dem der Turm gebaut worden war, doch würde dies wohl in der Zukunft (ähh... in der späteren Vergangenheit) geschehen. Weder das Dorf noch ein anderes Anzeichen für menschliche Besiedlung war zu erkennen. Die Temperatur war deutlich höher als sonst in Afrika und auch die Luftfeuchtigkeit war niederschmetternd. Lara musterte die gewaltigen Bäume, die mehrere hundert Meter aufrakten. Solche Giganten hatte es nur vor unvorstellbar langer Zeit gegeben. Wahrscheinlich war Lara in eine Zeit geschickt worden, in der es noch gar keine Menschen gab oder höchstens sehr primitive Vorfahren des homo sapiens. Dann viel Lara auf, dass sie Kleidung besaß, aber nicht ihre herkömmliche. Um ihre Hüfte spannte sich ein Fell, das ein wenig an einen Leopard erinnerte und bedeckte das Gebiet zwischen ihren Beinen und ihren Hintern, jedoch nur äußerst knapp, so dass das letzte Stück ihres Pos unten herausschaute. Obenrum trug sie eine Art Top aus dem gleichen Fellmaterial. Es bedeckte die Schultern, ließ aber Arme und Bauch frei und war überdies sehr, sehr knapp. Laras gewaltige Möpse wurden von dem kleinen Stoffteil kaum gehalten und dehnten es, so dass ein gewaltiger Ausschnitt entstand und die Hälfte von Laras Brüsten sowie ein Stück ihrer Nippel deutlich zu sehen war. An den Füßen trug sie knappe Fellstiefel, ansonsten hatte sie nichts bei sich. Lara betrachtete kurz ihre neue Kleidung und befand, dass es besser war als nichts.

So gewandet beschloß Lara, zunächst einen Punkt zu suchen, von dem aus sie sich orientieren könnte. Dazu stieg sie einen kleinen Hügel hinauf und lauschte dabei den fremdartigen Tierstimmen und dem Gekreiche, dass überall in den Wipfeln wie im Unterholz zugegen war. Die Fülle des Lebens war unglaublich und Lara erkannte einige Vogelarten, die direkte Nachfahren des Archeopterix sein mußten. Sie war wahrlich weit in der Zeit zurück geschickt worden und mußte sich große Mühe geben, nicht ihrem angeborenen Forscherdrang nachzugeben. Am liebsten hätte sie das ganze Gebiet erkundet, aber sie mußte den Tempel finden und wußte nicht, wieviel Zeit ihr dafür blieb und ob Zeit auf einer solchen Reise überhaupt eine Rolle spielen konnte. Als sie den Gipfel des Hügels erreicht hatte und von dort aus über die Wipfel der Bäume hinwegblicken konnte, sah sie zwei gewaltige Gebirgsketten, eine ein Stück im Norden, die andere weit im Süden. Dies waren die beiden Bergketten, die auch in moderner Zeit das Botanka-Gebiet begrenzen sollten. Nach Laras Verständnis der Aufgabe sollte es sich wohl um einen Tempel im nördlichen Gebirge handeln und sie blickte entlang der Hänge, ob sie nicht ein Gebäude ausmachen könnte. Und tatsächlich erblickte sie an einem Seitenhang des Hauptgrates des Bergrückens ein steinernes Gebäude. Dies mußte ihr Ziel sein. Lara versuchte sich die Richtung einzuprägen und machte sich dann wieder daran, den Hügel zu verlassen und die entsprechende Richtung einzuschlagen. Doch gerade als sie den Rand der Hügelkuppe erreicht hatte und sich den ersten Bäumen näherte, hörte sie hinter sich ein Geräuch, dass sie herumfahren ließ.