In der WG

Die WG-Wohnung war größer als gedacht, Sabine hätte nie gedacht, dass man als Studentin so schön wohnen könnte. Extra hohe Decken mit Stuck und allem. Altbauflair, echt schön. Nun gut, auch etwas verranzt, die letzte Renovierung lag schon Jahrzehnte zurück und der Vermieter machte offensichtlich nur das Nötigste. Die Studenten konnten sich die Wohnung nur leisten, weil es mehrere ähnlich geschnittene Zimmer gab, die sich für eine WG sehr gut eignete. So konnte die Miete fair aufgeteilt werden, dass die Last für die einzelnen Bewohner erträglich war.

Das ganze Haus gehörte anscheinend zum Hotel nebenan, aber weil der Besitzer wohl nicht das Potential sah, die Zimmer dieses Hauses auszulasten, hatte er es WG-geeignet ausgebaut und so das ganze Jahr über Mieteinnahmen und wenig Arbeit damit. Er schickte sogar einmal die Woche eine Putzfrau herüber, die feucht durchwischte und auch die Toiletten reinigte. Luxus pur für die Studenten. Im Haus gab es noch eine weitere solche WG, nur im oberen Geschoss waren etwas besser ausgestattete Zimmer, die oft zur Messezeit mit irgendwelchen Managern belegt waren. Gemeinerweise fuhr der Aufzug nur zwischen Erd- und Obergeschoss.

Als Jess mit Sabine im Schlepptau die Wohnung betraten sah es genauso unaufgeräumt aus, wie man sich eine WG-Wohnung vorstellt. Getränkekisten im Flur, leere Flaschen auf dem Boden, Chipstüten, ungespültes Geschirr. Gemütlich eben. Schuhe lagen mehr vor einem Schuhregal als darin, die Mädchen packten ihre Stiefel irgendwie dazu.

Wohnzimmer und Küche waren ein einzelner recht großer Raum. Küchenzeile, großer Esstisch, ein langes freistehendes Ecksofa, ein paar hohe Ikea-Regale und eine Kommode mit einem für diesen Raum etwas zu kleinen Fernseher. Dafür recht wuchtige Lautsprecherboxen, die an sowas wie eine Stereoanlage angeschlossen waren.

Mittendrin saß auf dem Sofa ein hagerer Typ, der ein bisschen stoned aussah. Längeres Haar, ein bisschen im Curt-Cobane-Style, Shorts, schwarzes verwaschenes T-Shirt mit dunkelgrauem Aufdruck in verschnörkelter Schrift, den man kaum entziffern konnte. 'Ectoplasma' glaubte sie zu erkennen, wusste aber nicht, ob das eine Heavy-Metal-Gruppe oder ein chemisches Element sein könnte.

"Jess!" rief er, als er sie sah und: "Wow, wen hast Du denn da mitgebracht?". Er erhob sich schneller, als man ihm das zugetraut hätte und überragte die Mädchen um mehr als einen Kopf. Er nahm Jess in den Arm als hätte er sie seit Wochen nicht mehr gesehen und sie gab ihm einen Kuss auf den Mund. Ohne Zunge zwar aber doch sehr innig. Auch Sabine wurde mit einer Umarmung begrüßt, jedoch ohne Kuss. Er roch tatsächlich etwas nach Cannabis war aber sonst nicht ungepflegt. Sympatisch lässiger Typ mit einem einnehmenden Lächeln.

"Das ist Sabinchen." stellte Jess diese vor. "Sabinchen, das ist Greg, einer meiner Mitbewohner. Komm Sabinchen, ich zeige Dir mein Zimmer." "Darf ich mitkommen?" fragte Greg, aber Jess verneinte lachend: "Heute nicht." "Och Menno."