Der erste Ausflug

"Ich muss heute an die Uni. Was hast du vor, Maria?"

Der neue Name ging Vanessa von Beginn an mit Leichtigkeit über die Lippen. Sie hatte den Eindruck, als stimme die äußere Erscheinung nun endlich mit dem Inneren der Person überein, die ihr gegenüber stand. Zugegebenermaßen passte die Frisur natürlich noch nicht und die Perücke war nur eine Notlösung. Aber das wäre eine Sache, die sich mit der Zeit von selbst lösen würde. Die Haare etwas wachsen lassen. Ein, zwei Besuche beim Stylisten. Perfekt. Sie konnte sich schon lebhaft vorstellen, wie niedlich und gleichzeitig attraktiv Maria mit einem Pixie Cut aussehen würde.

Die Angesprochene wirkte unentschieden.

"Eigentlich wollte ich in meine Wohnung und ein paar anständige Klamotten holen. Ich kann ja nicht ewig in diesem Fummel herumlaufen. So kann ich mich doch nirgends sehen lassen. Das ist doch Mega peinlich. Wobei ich schon zugeben muss", sie blickte verlegen zu Boden und ihre Stimme wurde leiser, "dass der Rock ziemlich bequem ist und ich mich ganz gut darin fühle."

Die Größere nahm sie in den Arm und sprach ihr Mut zu: "Das ist völlig in Ordnung. Höre auf deine innere Stimme. Lass dich von deinen Gefühlen leiten. Wenn sich etwas gut anfühlt, dann ist es auch gut für dich."

Sie drehte die Kleinere so, dass sie sich wieder von Kopf bis Fuß in dem großen Spiegel betrachten konnte.

"Und außerdem: Wer sollte in dir denn den alten Marius erkennen? Schau dich doch mal an! Du siehst spitzenmäßig aus, hast eine tolle Figur, eine fantastische Ausstrahlung. Das Einzige, was dir fehlt, ist ein wenig Selbstbewusstsein."

Mit diesen Worten hob sie mit einem Finger das Kinn der anderen an, damit sich diese sich selbst in die Augen sehen konnte.

"Na, was siehst du?"

Ein zarte Röte lief über Marias Antlitz. Dann richtete sie sich merklich auf und streckte den Rücken durch.

"Ja, du hast Recht. Ich mach's."

Gemeinsam verließen sie die Wohnung und gingen zur Straßenbahnhaltestelle. Maria hatte als Schuhe nur die Sneakers, in denen sie gestern angekommen war, zur Verfügung. Die passten überhaupt nicht mehr zu ihren neuen Stil und sie schämte sich ein wenig, so unmodisch herumzulaufen. Sie würde dringend einkaufen müssen. Die halbhohen Sandaletten, die ihre Begleiterin trug, sahen schön aus und schienen auch ziemlich bequem zu sein. In Kombination mit dem langen Rock, den Vanessa trug, mochte das OK sein. Der Minirock verlangte aber nach etwas anderem. Mit höheren, schmaleren Absätzen würde ihre schlanken Beine vermutlich noch besser zur Geltung kommen. Wobei sich Maria da mangels Erfahrung noch beraten lassen wollte.

In solche Gedanken vertieft bemerkte sie gar nicht, dass sich etliche Passanten nach den zwei Hübschen umdrehten und junge Männer anerkennend pfiffen oder ihnen begehrliche Blicke zuwarfen. Umso mehr achtete ihre Weggefährtin auf das Umfeld und diese Reaktionen. Sie war es gewohnt, aufzufallen und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit der kleinen Blonden an ihrer Seite erreichte sie aber ein völlig neues Level.