Ashleys irre Pläne

"Jetzt hast du mich verloren", sagte ich. "Was bitte hat meine Tochter damit zu tun, der Menschheit ein neues Gen einzupflanzen?"

Ashley lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. "Das Zarathustra-Gen ist bisher immer nur zur Hälfte im Erbgut zu finden", sagte sie. "Bei Männern finden wir eine Hälfte, bei Frauen die andere. Und nur bei den Nachkommen, die das selbe Geschlecht wie ihre Eltern mit dem Gen haben, ist es dominant - bei allen anderen ist es rezessiv."

Ich schüttelte den Kopf. "Kapier ich nicht."

"Nimm mal deinen Vater als Beispiel", sagte sie. "Jakob hatte das Zarathustra-Gen. An Andy hat er es dominant weitervererbt, weil Andy ebenfalls männlich ist. Damit wird Andy es ebenfalls an alle seine männlichen Nachkommen weitergeben. Bei dir ist es aber rezessiv, weil du eine Frau bist. Du hast das Gen zwar, vererbst es aber eben nicht weiter. Mit einer Ausnahme."

"Und die wäre?"

Ashley lächelte. "Wenn du ein Kind von jemandem bekommst, der das Gen ebenfalls hat", sagte sie, "und zwar egal, ob dominant oder rezessiv. In diesem Fall wird dein Kind auch die Zarathustra-Sequenz besitzen. Und zwar die vollständige - vom Vater die eine Hälfte, von dir die andere."

Jetzt begann ich zu verstehen. "Das heißt also, weil Maja von Andy die eine Hälfte und von mir die zweite Hälfte besitzt-"

"Hat sie das vollständige Zarathustra-Gen", bestätigte Ashley. "Und genau das brauchen wir."

"Ja gut, aber wofür?" wollte nun Moritz wissen. "Außerdem hättet ihr das Gen doch bestimmt schon längst in der Retorte rekombinieren können."

Ashley schüttelte den Kopf. "Alle Versuche in den letzten dreißig Jahren sind gescheitert", sagte sie. "Wir wissen nicht warum, aber Zarathustra scheint sich nur natürlich vervollständigen zu können. Und nur mit der vollständigen Sequenz können wir einen Vektor mit der geeigneten RNS bauen, um das Gen in adulte Keimzellen einzuschleusen."

Ich brauchte ein paar Sekunden, um vollkommen zu verstehen, was sie da eben gesagt hatte. "Ihr wollt das Zarathustra-Gen mit einem Vektor bei anderen Leuten einschleusen? Ihr wollt ihren genetischen Code umschreiben?"

"Absolut richtig", sagte Ashley. "Wir nutzen einen Aerosolvirus und setzen Zarathustra überall in Großstädten frei. Erst mal nur in Deutschland, aber zum Beispiel auch an Flughäfen, damit wir eine Chance haben, das Gen in andere Länder zu streuen. Mit ein paar Millionen möglicher Väter und Mütter sollten wir damit eine gute Grundlage haben, dass es sich von da an auch natürlich verbreitet."

"Du spinnst doch!" stieß ich hervor. "Das ist ein riesengroßes Menschenexperiment, das ihr hier plant! Was, wenn irgendwas schief geht?"

Ashley schüttelte den Kopf. "Da wird nichts schiefgehen", sagte sie. "Wir haben dreißig Jahre Grundlagenforschung an Zarathustra hinter uns. Sobald wir die vollständige Gensequenz haben, können wir loslegen. Und Risiken gibt es dabei keine."

Ich verschränkte die Arme. "Aber es ist unmoralisch!" beharrte ich. "Ihr verändert das Erbgut von allen möglichen Leuten, die nie zugestimmt haben, bei so einem Experiment mitzumachen!"

"Stell dir eine Welt vor", sagte Ashley, "in der keine Frau mehr Angst vor Komplikationen bei der Geburt haben muss. In der alle **** gesund und munter auf die Welt kommen. Eine Welt, in der befriedigender Sex für beide Geschlechter der Normalfall ist und nicht mehr die Ausnahme. Eine Welt, in der keiner mehr **** nehmen muss, weil die Orgasmen bereits die schönsten Erlebnisse bieten. Eine Welt voller Monsterschwänze und literweise Sperma für jede Möse. Ist es das nicht wert?"

"Nicht, wenn die Leute **** haben", sagte ich fest. "Jeder sollte sich entscheiden können, ob er das für sich will oder nicht."

Ashley seufzte und gabelte eine Portion Gemüse von ihrem Teller auf. "Hm", sagte sie. "Interessant, dass du so denkst."

Ich sah sie fragend an. "Wieso findest du das interessant?"

"Weil Andy auch dagegen ist", sagte Ashley und steckte die Gabel in ihren Mund.