Um zwei Uhr ist Marianne immer noch nicht zu Hause

Als Marianne um zwei Uhr immer noch nicht zu Hause ist, beschließe ich, ins Bett zu gehen. Weiß der Herrgott, wo in aller Welt sich meine Frau zu dieser späten Uhrzeit noch herumtreibt. Nach wenigen Minuten falle ich in einen tiefen Schlaf, aus dem ich erst wieder erwache, als mir die grelle Sonne ins Gesicht scheint. Es dauert einen Moment, bis ich mich wieder an die Nacht erinnere. Ich setze mich auf und sehe zu meiner Erleichterung, dass Marianne neben mir im Bett liegt und tief und fest schläft. Sie muss irgendwann in den frühen Morgenstunden nach Hause gekommen sein, ohne dass ich sie gehört habe.

Während des späten Frühstückes äußert Marianne sich nur sehr wortkarg darüber, warum sie so spät nach Hause gekommen ist. Sie erzählt nur, dass es insgesamt sehr schön gewesen sei, ihre alten Klassenkameraden nach den Jahren wiederzusehen, dass man sich viel zu erzählen gehabt habe, dass die Zeit leider wie im Flug verlaufen sei und dass es deshalb eben sehr spät geworden sei. Später erwähnt Marianne noch ganz beiläufig in einem Nebensatz, dass ihr ehemaliger Mitschüler Daniel sie nach ihrer Adresse gefragt habe, weil er geschäftlich öfters in der Gegend unterwegs sei und sie gerne einmal besuchen würde.

„Daniel? Ist das nicht dein ehemaliger Freund, der dich damals heiraten wollte?“ frage ich leicht irritiert. Marianne nickt. „Und wann will dein Freund dich besuchen kommen?“ bohre ich weiter. „Erstens ist Daniel nicht mein Freund. Und zweitens hat er gemeint, dass er wahrscheinlich schon nächstes Wochenende vorbeikommen wird“, antwortet sie und sieht mich dabei mit ihren blauen Augen unschuldig an. „Du weißt ja, dass ich nächstes Wochenende nach Berlin fahren muss?“ „Das ist nicht schlimm, wenn du nicht da bist“, behauptet Marianne. „Daniel wollte sowieso nur mal kurz vorbeischauen und guten Tag sagen …“