Blick über die Mauer

Heike wischte und putzte, aber die Flecken auf dem Sofa blieben unübersehbar. Resigniert gab sie auf und ging endlich in die Dusche, um sich selbst zu säubern. Aber der Erfolg war kaum besser, als bei dem Möbelstück. Sie konnte sich einseifen und abwaschen, so oft sie wollte, sie fühlte sich weiterhin schmutzig.

Um ein wenig den Kopf frei zu bekommen, entschied sie, aus dem Haus zu gehen. Mit langer Hose, T-Shirt, einer Bluse darüber und einer Mütze auf dem Kopf war sie viel zu warm für die herrschenden Temperaturen angezogen und kam beim Gehen rasch ins Schwitzen.

Sie erinnerte sich daran, dass in zwei der Häuser vergangene Nacht Licht gebrannt hatte, und versuchte, diese zu identifizieren. Am hellen Tag wirkte alles ein wenig anders, aber sie war sich ziemlich sicher, dass sie die Gebäude wiederfinden könnte.

Beim ersten der zwei stand sie etwas ratlos vor der Haustür. Es gab weder ein Namensschild, noch irgendeinen anderen Hinweis, wer in dem Apartment untergebracht war. Nun, es half nichts zu grübeln. Entschlossen drückte sie auf den Klingelknopf und hörte deutlich, dass die Glocke anschlug.

Sie wartete und lauschte, aber niemand öffnete und alles blieb still. Noch einmal klingelte sie, erneut ohne Erfolg. Sie sah sich um. Zur Straße hin hatte das Haus nur zwei schmale Fenster und hinter beiden waren die Vorhänge zugezogen. Sie umrundete das Grundstück. Wenn die Zimmeraufteilung genauso wie in der Wohnung von Klaus und ihr war – woran sie nicht zweifelte – müsste von der Rückseite ein Blick durch die große Fensterfront möglich sein.

Die Umfassungsmauer war glatt verputzt, dafür lagen in der Nähe ein paar beim Bau übrig gebliebene Ziegelsteine, aus denen sie eine niedrige Treppe aufschichtete. So konnte sie die Mauerkrone erreichen und darüber linsen.

Tatsächlich bekam sie freie Sicht in Wohnküche und Schlafzimmer. Überall lagen Klamotten herum, vermutlich schmutzig. Der Ordnungssinn des Bewohners war offenbar nicht besonders ausgeprägt. Von ihm selbst entdeckte sie kein Zeichen.

Ohne zur Straße zurückzukehren, schlenderte sie weiter quer durchs Gelände und erreichte bald die Rückseite des zweiten Hauses, das sie neugierig gemacht hatte. Hier fand sie einen Felsbrocken neben der Außenwand, kletterte darauf und zog sich hoch.

Auch hier entdeckte sie einen Klon ihres Apartments, das allerdings deutlich aufgeräumter war, als das vorhergehende. Dafür war der Bewohner zuhause. Er lag auf dem Rücken im Bett und …

Heike tauchte sofort ab, als ihr bewusst wurde, wobei sie ihn heimlich beobachtete. Dann musste sie kichern. Ohne sich genau im Klaren zu sein, weshalb sie es machte, streckte sie wieder den Kopf hoch an die Kante des Mauerwerks, nur so weit, dass sie eben darüber hinweg spähen konnte.

Angesichts des Verbotenen, das sie tat, kam sie sich verrucht vor und fühlte sich gleichzeitig unheimlich aufgeregt. Es kribbelte in ihrem Bauch. Der junge Mann hatte keine Ahnung davon, dass er beobachtet wurde. Viele Details konnte sie nicht erkennen, da er flach lag und die zusammengeknüllten Decken zusätzlich die Sicht auf ihn behinderten. Doch eines war sicher:

Er wichste seinen Schwanz nach Kräften, während neben ihm ein fahles Licht hell und dunkel flackerte. Wahrscheinlich schaute er auf dem Handy einen Porno an, um sich in Stimmung zu bringen. Heike fragte sich, ob es ihn von seinem Tun abhalten würde, wenn er wüsste, dass sie ihm dabei zusah, oder ob es ihn im Gegenteil noch mehr erregen würde.

Sie nahm an, dass das Zweite der Fall wäre. Ihr wurde nicht nur aufgrund der hohen Temperaturen heiß. Und die Nässe in ihrem Schritt kam nicht ausschließlich von dem Schweiß, der ihr reichlich am Körper herablief.

Sie beschloss, diesen Nachbarn bald durch den Vordereingang zu besuchen und sich mit ihm zu unterhalten. Zunächst aber wollte sie unbedingt das Finale miterleben.