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Chapter 20 by tease94 tease94

Wie geht's weiter? Gelingt der Transport nach draußen? Oder wird Isidia erneut verhaftet?

Vor den Mauern der Stadt

Waren die Stunden im Kerker für Isidia eine Lehre im Leiden, so war die Zeit im Teppich eine Lehre der Demut. Unendlich langsam verstrichen die Minuten. Zunächst lauschte Isidia auf jedes noch so kleine Geräusch. Doch da der Wagen sich zunächst wie angekündigt nicht in Bewegung setzte, und die beiden krieger entwender nicht miteinander sprachen oder wenn, dann so gedämpft, dass isidia sie nicht vernehmen könnte, gab sie diesen Versuch bald wieder auf. Als nächstes ließ Isidia ihr Leben Revue passieren.

Dreizehn Jahre hatte sie glücklich im Haus Athestan verbracht, ihr Leben in vollen Zügen genossen. Sie hatte eine ausgezeichnete Bildung erhalten, betrachtete sich als klug und erfinderisch und war hungrig nach Aufregung und Erlebnissen. Doch dass ihre Welt sich so schnell in einen turbulenten Alptraum verwandeln würde, hätte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen können. In den letzten achtundvierzig Stunden war Isidia verbannt, entehrt, geschändet und verkauft worden. Bettler hatten sie ausgeraubt, geschlagen und ihren Körper missbraucht. Soldaten hatte sich mit ihr vergnügt und sie die Peitsche kosten lassen. Der Handlanger eines Sklavenhändlers hatte sie wie eine Hündin auf einem Heuballen von hinten genommen. Derselbe Handlanger, dem sie sein Messer tief in die Eingeweide gestoßen hatte. Wenn es etwas gab, das ihr ein wenig Freude bereitete, dann der ungläubige Blick von Filzhaar, als sein Blut aus seinen Fingern quoll. Es war ein klein bisschen Genugtuung für all die Demütigungen.

Doch welches Schicksal stand ihr nun bevor?

Die beiden Krieger gaben Isidia Rätsel auf. Ganz offensichtlich hatte Ty, der ältere, nach ihr geforscht. Weshalb war ihr unklar. Gab es einen geheimnisvollen Auftraggeber außerhalb der Stadt, der sich an ihr - oder Haus Athestan - rächen wollte? In den letzten Monaten hatten immer öfter die jungen Söhne von Fürsten und Edelleuten außerhalb Kel-Shazars ihre Aufwartungen gemacht. Nicht wenigen war Isidia mit Herablassung und Verachtung begegnet. In ihren Träumen hatte Isidia sich stets an der Seite eines Königssohns oder eine reichen Fürsten gesehen. Wie konnten diese Jünglings glauben, sie würde sich mit dem zweiten Sohn eines Landadligen zufrieden geben?

Isidia seufzte. Im Moment hätte sie sogar einen Platz neben dem langweiligsten und hässlichsten Jundadligen ihrem derzeitigen Aufenthaltsort vorgezogen. Wo sie wieder bei der Realität war. Was hatten diese Kerle mit ihr vor?

Schließlich find Isidia an zu zählen. Als sie bei dreitausendfünfhunderteinundachtzig angekommen war, setzte sich der Wagen endlich in Bewegung. Gespannt konzentriete Isidia sich wieder auf etwaige Geräusche.

Der großteil der Fahrt bestand aus unangenehmen Rumpeln und Geschunkel. Zwischendurch hielt der Wagen immer mal wieder. Einmal vernahm Isidia so etwas wie einen Tumult. Danach rollte der Wagen weiter, hielt noch einmal etwas länger an, dann ging die fahrt weiter. Wieder verlor sich das junge Mädchen in der Enge und Eintönigkeit ihres Gefängnis. Das Schaukeln des wagens wurde stärker. Isidia glaubte, dass es bergauf ging. Schließlich kam der Wagen zu einem abrupten Halt. Sie hörte die Stimmen der beiden Krieger ohne die Bedeutung ihrer Worte entziffern zu können. Gespannt wartete sie auf die weiteren Ereignisse. Isidia war auf alles gefasst.

Dennoch schrie sie auf, als sich ihre Welt abermals drehte. Der Teppich wurde hochgehoben, wieder abgelegt und der Rest war ein wirres Drehen und Wenden, dass Isidia schwindelig wurde. Sonnenlicht stürzte sich auf ihre Augen. Isidia blinzelte und sah zunächst nur Schemen. Blauer Himmel. Ein Baum. Noch einer. Die Kante eines Kastenwagens. Das unrasierte Gesicht eines grimmig ausschauenden Kriegers.

"Mmmppfff! Hhhmmmppff!" schnaubte Isidia in ihren Knebel.

"Warte..." Ty zog ein Messer und zerschnitt die Seile, die Isidias Glieder gebunden hielten. Dann nahm er ihr den Knebel aus dem Mund.

"W-wo sind wir?" fragte Isidia benommen, kaum dass sie sprechen konnte.

"Draußen. Außerhalb der Stadt. Zwei gute Wegstunden vor dem Mauern Kel-Shazars." Ty blickte ihr neugierig ins Gesicht. Bei Tageslicht kamen seine stahlgrauen Augen mit dem blauen Schimmer noch stärker zur Geltung. Der kurze, rauhe Bartwuchs gab ihm ein verwegenes Aussehen. Der Schwertgriff mit der abgenutzten Umwicklung oberhalb seiner linken Schulter verstärkte diesen Eindruck bloß.

"Kann ich was ****?" Isidias Kehle war schon wieder trocken. Und ihr Magen knurrte. War ihr deshalb so übel oder aufgrund der unbequemen Fahrt?

"Ri?" Der schwarzhaarige Krieger sah sich nach seinem Gefährten um.

"Komme sofort." Isidia schaute in die Richtung aus der die zweite Stimme kam. Ri, der sommersprossige Gefährte des grimmigen Schwertkämpfers, trat hinter dem Karren hervor. Abermals schenkte er Isidia ein freundliches Lächeln. In seiner Hand hielt er den Wasserbeutel. An seiner Hüfte bemerkte Isidia zum ersten Mal eine breite, leicht gekrümmte Klinge mit weit auslaufendem Ort. "Hier. Trink soviel du magst."

"Danke." Begierig nahm Isidia die Lederflasche in die Hand und trank in hastigen Schlücken. Das Wasser war kalt und ihr Magen verkrampfte sich, doch die Reinheit kühlte ihren Gaumen und lichtete ihre Sinne.

"Wie schön es ist, jemandem mit solch einfacher Gunst eine Freude zu bereiten," meinte der junge Krieger fröhlich und kniete sich neben Isidia nieder. Aus einer Seitentasche kramte er zwei dünne Drähte hervor. "Darf ich?" Die Frage galt weniger Isidia als seinem älteren Waffenbruder.

Ty zuckte mit den Schultern. "Von mir aus."

Der Rothaarige grinste. Als Isidia ausgetrunken hatte, sagte er: "Reich mir mal deine Hände."

Isidia tat ihm den Gefallen. Die metallene Kette schwang zwischen ihren Handgelenken. Zum ersten Mal bemerkte Isidia die Blutränder auf den mittleren Kettengliedern. Ri hatte sie wohl ebenfalls entdeckt und griff rasch nach Isidias Handgelenken, um sie zu untersuchen. Als er keine Wundspuren entdeckte, hob er eine Augenbraue und meinte: "Autsch. Das muss weh getan haben."

"Äh, nicht bei mir."

"Ich weiß. Dich meinte ich auch nicht. Sondern den anderen." Ri grinste von einem Ohr zum anderen. **** musste Isidia schmunzeln.

"Der andere ist tot," warf Ty nüchtern ein. "Und das ist gut so."

"Anzunehmen." Ri gluckste. Dann fing er an mit den beiden drähten an den Schlössern von Isidias Handgelenkketten zu nesteln. Es dauerte nicht lange und die Kette lag kontaktlos auf dem Teppich zu Isidias Knien. Der junge Krieger grinste. "Besser, oder?" Noch ehe Isidia antworten konnte, stand er auf und sah seinen Waffengefährten an. "Und wie geht's weiter?"

"Du bringst den Wagen zurück in die Stadt und kommst nach. Du weißt ja, wo wir uns befinden. Lass dich nicht verfolgen." Der ältere Krieger erhob sich ebenfalls.

"Pah. Du hältst mich noch immer für einen Grünling, Tyborn."

"Bist du das denn nicht?" Ty oder Tyborn, wie sein vollständiger Name offensichtlich lautete, sah seinen jungen Freund durchdringend an.

Ri zuckte mit den Schultern. "Ich werde achtgeben. Wirklich. Ich habe den Wagen organisiert, ich werde ihn auch zurückbringen."

"Na gut."

Die beiden Krieger scheuchten Isidia vom Teppich herunter, auf dem sie noch immer hockte, rollten ihn wieder zusammen und verluden ihn auf der Ladefläche. Währenddessen schaute Isidia sich um. Sie befanden sich in einer kleinen Senke zwischen dürren, knorrigen Bäumen und verstreuten, schroffen Felsen. Ein Flecken geradezu bildhaft für das Landesinnere der Hafenmetropole.

Einer der Gründe, dass Kel-Shazar eine große Handelsstadt werden konnte, lag in der Unwirtlichkeit des Hinterlandes. Große, weite Flächen karger Felsen durchmischt mit torfigem Boden, der zwar gutes Gras aber nicht viel anderes gedeihen ließ. Scharfe Winde peitschten über das Land um jedem die Arbeit unerträglich zu machen, der versuchte, dem kargen Boden Getreide oder sonstige Erntegewächse abzuringen. Noch weiter von der Küste weg erhoben sich imposante Berge - die Perlenmauer. Sie wurden so benannt, weil sie die Inseln vor Kel-Shazar, zwischen denen Perlentaucher wervolle Kostbarkeiten am Meeresgrund fanden, vom Rest des Kontinents abschirmten. So erklärte es sich auch, dass nur selten ein Versuch unternommen worden war, Kel-Shazar auf dem Landweg zu erobern. Wer auch immer die Perlenmauer überquerte musste sich mit einem ungastlichen Land auseinander setzen, dass jede Selbstversorgung zu Lande zum Scheitern verurteilte. Neben den Perlen der Inseln und sonstigen Erzeugnissen des Meeres, gab es nur zwei Handelsgüter für die Kel-Shazar bekannt war: Einen starken, torfigen Branntwein und die dichte Kelschafwolle, gewonnen von den unzähligen Schafsherden, die über die weiten Grasflächen des Hinterlandes streiften.

Bei dem Gedanken an Schafe stürzten alte Kindheitserinnerungen über Isidia ein, die sie lange im hintersten Winkel ihres Herzens verschlossen gehalten hatte. Ihr Vater - ihr richtiger, leiblicher Vater - hatte sie immer zu den Schafen gebracht und sie ihre kleinen, tapsigen Finger in der dichten Wolle wuscheln lassen. Tränen sammelten sich in Isidias Augen, als sie die Erinnerungen wehmütig wieder aus ihrem Gedächtnis bannte.

"Alles in Ordnung mit dir, Kleines?"

Isidia erschrak. Sie hatte Tyborn nicht gehört, was sie bestürzte, denn der Mann war groß und kräftig, doch er bewegte sich mit der Anmut und Lautlosigkeit eines Panthers.

"Ich war eine halbe Ewigkeit nicht mehr hier draußen."

"Hmm. Ein hartes Land." Tyborn trat neben Isidia und schaute über die Felslandschaft.

"Ja." Einige MInuten sprachen sie kein Wort, bis Isidia schließlich fröstelte und der Kälte gewahr wurde, die an ihren nackten Füßen hinauf bis unter ihren dünnen Umhang schlich. "Mir ist kalt."

Tyborn nickte. "Komm mit." Der Krieger deutete weiter hügelaufwärts, in eine Himmelsrichtung die von Kel-Shazar weiter fortführen musste.

Isidia bemerkte, dass Tyborn einen leichten Rucksack über die Schulter geworfen hatte. An seinem Waffengürtel hing nun außerdem eine lederne Wasserflasche. "Wo ist Ri?" fragte Isidia behutsam. Sie fühlte sich weitaus geborgener im Beisein des jungen Kriegers als alleine hier draußen mit seinem grimmigen, schwarzgewandeten Waffenbruder.

"Da hinten siehst du ihn bergab rumpeln." Ty deutete hangabwärts und tatsächlich sah Isidia dort die Rückseite des Kastenwagens, der wieder in Richtung der Hafenmetropole fuhr.

"Hmm. Wird es nicht auffallen, wenn er mit der gesamten Beladung nur vier Stunden später wieder in die Stadt kommt?"

"Ri wird nicht bis ganz in die Stadt fahren. Der Händler, der uns den Wagen geliehen hat, erwartet ihn außerhalb."

"Oh." Offensichtlich hatten die beiden diese Angelegenheit gut durchdacht. Stellte sich noch immer die Frage 'weshalb'? "Warum betreibt Ihr all diesen Aufwand... nur für eine..."

"... Sklavin?" vollendete Tyborn den Satz.

"Ja."

"Vielleicht weil du eine besonders hübsche und attraktive Sklavin bist?"

Isidia schluckte. Der Gedanke, dass Tyborn sie gleichermaßen hübsch und attraktiv befand, war beängstigend verstörend. Isidia versuchte ihre Irritation mit einem herablassenden Schnauben zu kaschieren. "Ja, und ich bin noch immer die Prinzessin in Haus Athestan. Komm, lasst Euch was besseres einfallen."

"Alles zu seiner Zeit."

Damit war das Thema für den Krieger erledigt. Schweigsam stampfte er voraus. Isidia blieb keine andere Wahl als ihm zu folgen. Ohne Nahrung, ohne Bekleidung würde sie in dieser Gegend nicht lange überleben. Der Weg, den Tyborn einschlug führte sie zunächst ein gutes Stückchen bergauf. Die dürren Bäume wurden spärlicher. Ab und zu blitzten die weißen Türme der fernen Hafenmetropole und das Blau des Meeres von Kaan zwischen den Felsen hervor. Einsame Möwen zogen kreischend über das Land. In einer halben Meile Entfernung erkannte Isidia die weißen Tüpfel einer Schafsherde an einem benachbarten Hang. Doch Tyborn nahm von alledem keine Notiz. Ihr Weg wurde flacher, doch die Felsen blieben eng beieinander stehend. Isidia musste sorgsam darauf achten, wo sie hintrat. Ihre zarten Füße waren nur die glatten Marmorböden des Palasts gewohnt. Die scharfen Steine stachen in ihre Sohlen, wann immer sie einen erwischte.

"Müssen wir noch lange gehen?" fragte sie müde, nachdem sie bestimmt eine Stunde gewandert waren.

"Nein. Und ja."

"Na, das ist mal eine umfassende Auskunft. Danke für die große Hilfe."

Tyborn drehte sich zu Isidia um. "Du hast eine reichlich spitze Zunge für jemanden, der vor vier Stunden noch von einem Sklavenhändler flachgelegt worden ist."

Isidias Stirn bewölkte sich. "Fick dich, Tyborn." Die Worte platzten aus Isidia heraus, ehe sie ihre Zunge im Zaum halten konnte. Erschrocken hielt sie eine Hand vor den Mund. Der Krieger sah sie mit finsterer Miene an.

Wie geht's weiter? Wird Tyborn Isidias Worte ignorieren? Oder fällt er über sie her?

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