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Chapter 14 by Daemony Daemony

What's next?

Die Lobby

Jasmin erreichte die angegebene Stelle etwa 10 Minuten vor 10. Sie stellte den Motor ab und blieb sitzen. Leicht nach vorne gebeugt inspizierte sie die Umgebung durch die Windschutzscheibe ihres Kleinwagens. Schon beim Heranfahren hatte sie sich umgeschaut und war seltsam enttäuscht. Sie befand sich in einem gesichtslosen Gewerbegebiet. An diesem Vormittag herrschte so gut wie kein Verkehr.

Ihr Ziel könnte alles sein: eine Kanzlei, ein Verwaltungsgebäude, ein Handelsbüro, ein Lagerhaus. Kurz: ein Ort ohne jede Bedeutung. Sie glich ihre Position nochmals so genau wie möglich mit der Markierung auf der Karte ab und entschied, dass sie zu dem dreistöckigen Haus auf der anderen Straßenseite gehen musste. Ein schmuckloses, graues Gebäude mit von der Witterung verwaschenen Mauern und getönten Fenstern wirkte anonym und abweisend. Hierher kam man nur, wenn man musste.

An der Hausecke am Eingang einer engen Seitengasse standen vier Frauen, die an Zigaretten zogen und sich träge unterhielten. Sie trugen Jacken gegen die Frische des Morgens und darunter knappe, figurbetonte Kleidchen. Der Rauch kräuselte sich über ihren Köpfen in der klaren, kühlen Luft. Die Glut erhellte, wenn sie daran zogen, kurz ihre Gesichter und offenbarte harte, markante Linien, die von langen Nächten und einem rauen Leben zeugten.

Sie bemerkten Jasmins beobachtenden Blick und musterten sie kurz, nur mit einem Hauch Neugier, wie man sie einen verlorenen Vogel auf dem Gehweg entgegenbringt. Ihre Haltung war selbstsicher, beinahe trotzig. Plötzlich lachten sie laut über einen Witz, den eine von ihnen gemacht hatte – vermutlich über die seltsame Fremde in dem kleinen Auto, die sich nicht traute auszusteigen.

Jasmins Herz schlug schneller. Die Szene wirkte so fremd und weitab von der Welt, aus der sie kam, dass sie sich kurz fragte, ob sie hier sein sollte. Sie atmete tief durch. Was mache ich hier eigentlich? Zweifel kamen in ihr hoch und zerrissen die dünne Schicht Entschlossenheit, die sie sich während der Fahrt aufgebaut hatte. Ihre Hand zuckte zum Zündschlüssel. Am liebsten würde sie auf der Stelle umdrehen und all das hier vergessen. Aber es gab kein Zurück. Sie dachte an die Nachricht, das Ultimatum. Das „Fenster“ würde sich nicht noch einmal öffnen. Welche Konsequenzen ihr drohten, wenn sie die Chance verstreichen ließ, wollte sie sich nicht ausmalen.

Zögerlich griff sie nach ihrer Tasche, glättete umständlich den Rock, der unangenehm eng saß, und stieg aus dem Wagen. Während sie die Straße überquerte, spürte sie die Blicke der vier Frauen beinahe körperlich. Sie konnte nicht leugnen, dass sie hier ein Fremdkörper war. Alles in ihr schrie nach Flucht, aber sie musste es jetzt durchziehen.

Die Glastür des Gebäudes war mit einer blickdichten Folie verklebt und verriet nichts über sein Inneres. Eine Beschriftung auf Augenhöhe sagte, dass Personen unter 18 Jahren keinen Zutritt hätten. Sie drückte die Tür auf und trat in die Lobby. Ehe sie weiterging, gönnte sie sich einen Moment und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, um sich zu orientieren.

Ein roter Teppich führte in die Mitte des Empfangsbereichs und zu einem Tresen, über dem ein Schild in abgeblätterten, einst goldenen Buchstaben "Zimmervermittlung" verkündete. Entlang der Wände hingen kleine Lampen, die schummriges Licht verströmten. Die Einrichtung bestand aus tiefen Sesseln in dunklem Rot, die niedrige ovale Tischchen umstanden. Die beiden Männer hatte Jasmin sofort bemerkt, als sie die Lobby betreten hatte. Beide saßen nebeneinander, mit dem Rücken zur Wand, schräg gegenüber dem Eingang, sodass sie diesen stets im Blick hatten. Der ältere der beiden, um die fünfzig, lehnte sich zurück, die Beine locker übereinandergeschlagen und eine kalte Zigarette zwischen den Lippen. Sein Gesicht zeigte tiefen Falten um die Augen und den Mund. Er trug eine dunkle Lederjacke über einem schlichten Hemd, das von oben bis zum Bauchnabel geöffnet war. Sein Blick taxierte sie unverschämt von unten nach oben, beginnend bei ihren Schuhen, dann die Beine hoch bis zu ihrem Rock, über die Bluse, blieb unanständig lange an ihrem Busen hängen, bis er ihr endlich ins Gesicht sah.

Neben ihm saß ein jüngerer Mann, ca. Mitte dreißig, mit dunklem Teint, kurzgeschorenem schwarzen Bart und einem muskulösen Oberkörper, der das enganliegende weiße T-Shirt sprengen wollte. Um seinen Hals glitzerte ein Goldkettchen. Seine Haltung war angespannt, als erwarte er einen ****, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, während er sich leicht vorbeugte. Er zeigte seine Zähne, was sowohl ein Lächeln, als auch Zähnefletschen bedeuten konnte. Er schien sich noch nicht sicher, warum sie hier war und was er von ihr halten sollte.

Ein unangenehmes Kribbeln breitete sich in Jasmins Nacken aus. Sie fühlte sich wie auf dem Präsentierteller auf eine Weise, die sie nur schwer aushalten konnte. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Für einen kurzen Moment spürte sie wieder den Impuls, einfach umzukehren und zu verschwinden. Doch sie wusste, dass das keine Option war. Sie presste die Lippen zusammen, schluckte den Kloß hinunter und straffte die Schultern. Als sie den beiden den Rücken zuwandte, um an die Empfangstheke zu gehen, wurde ihr bewusst, wie straff der Rock ihre Konturen umfing. Oberschenkel und Gesäß zeichneten sich darunter überdeutlich ab und überließen nichts der Fantasie.

Jasmin drückte leicht auf die Klingel auf dem Tresen, deren schriller Ton in der leeren Lobby widerhallte. Augenblicke später öffnete sich eine Tür hinter dem Empfang, und eine Frau trat heraus. Sie war vielleicht Ende vierzig, trug einen weinroten Blazer über einem ultrakurzen Minirock. Die Haare, aschblond und streng zurückgekämmt, glänzten kühl im schwachen Licht.

„Guten Tag, Sie wünschen?“, begrüßte sie Jasmin und fixierte sie mit einem Blick, der mehr als alles andere sagte, wie fehl am Platz die Pastorin war.

"Ich habe einen Termin."

Die Empfangsdame fragte nicht, bei wem. Sie nahm einen Telefonhörer, drückte einen Kurzwahlknopf, wartete kurz, bis jemand sich meldete.

"Sie ist da."

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