Das Meisterstück

Immer weiter führte Jessica ihren Dirigenten auf der Partitur des Glücks. Sie bespielte seine heiße Flöte ausdauernd und mit Leidenschaft wie ihre Klarinette in einem Meisterstück. Sie spürte, dass er sich ihr hingab, ganz im Rausch der Gefühle verloren.

Derweil war Johanns Verstand ein Mahlstrom widersprüchlicher Emotionen. Schuldgefühle nagten an ihm und erinnerten ihn an seine berufliche Verantwortung und die moralischen Grenzen, die er überschritten hatte. Was würde diese unerlaubte Begegnung für ihrer beider berufliche Zukunft bedeuten? Könnten sie unbeschadet durch die Zeit danach kommen? Weiterhin professionell zusammenarbeiten? Doch in der Hitze des Gefechts überwältigte sein Verlangen nach Jessica seine Vernunft. Noch nie hatte er sich so lebendig und begehrt gefühlt.

Die Klarinettistin legte alles Temperament und alle Kunstfertigkeit, die sie aufbringen konnte, in das aufregende Spiel. Mit jedem kosenden Kuss, mit jedem neckenden Lecken schürte sie das verzehrende Feuer, das in ihm brannte. Längst konnte er die Stille nicht mehr ertragen. Laute seiner Lust webten den magischen Klangteppich, auf dem sie beide der Realität entflohen.

Sie gab die Melodie vor und sein Körper bewegte sich in perfekter Harmonie mit ihr. Jede Schwingung war ein Zeugnis der schöpferischen Sehnsucht, die sie miteinander verband. Meisterlich führte sie das Vibrato aus. Ohne Unterbrechung leitete sie mit ihrem Legato aus dem ersten Satz in das Finale furioso über.

Als ihre Leidenschaft ein Crescendo erreichte, bäumte er sich auf und sang die Hymne auf ihre himmlische Zungenfertigkeit. Jessica ging derweil ins Ritardando über.

Matt sanken sie nieder, ihre Herzen schlugen im Einklang einer ruhigen Nocturne.